„Egal ob du dich trotz Kontaktverbot auch weiterhin mit Freunden treffen willst, ob du ohne einen triftigen Grund oder während einer möglichen, nächtlichen Ausgangssperre draußen unterwegs sein willst. Immer sind umherstreifende Bullen deine natürlichen Feinde.“
Das Magazin „Zündlumpen“ bezeichnet sich selbst als „anarchistisch“ und hat nach Eigenangaben seinen Sitz in München. Offiziell lassen sich die Herausgeber, die Personen, die hinter dem Verlag stehen oder die Geldgeber, nicht herausfinden. Verständlich, bei solchen Inhalten, wie sie in der neuen Ausgabe zu finden sind. Die Impressumangabe lautet “ V.i.S.d.P.: Klaus Doch, Mühsamstraße 1312, München“, wobei es sich um einen schwachen Wortwitz handelt. Zumindest die Mühsamstraße 12/13 existiert in der bayrischen Hauptstadt.
Szeneweit bekannt
„Zündlumpen“ gilt als feste Institution innerhalb der linken Szene. Mittlerweile erscheint das „Heft“ – mehrere PDF-Seiten zum Download – in der 79. Ausgabe, was die Stetigkeit der Macher unter Beweis stellt. Das Blatt erscheint seit Februar 2019 und liegt in diversen linken Szenetreffs aus, wie die „Bayrische Informationsstelle gegen Extremismus“ auf ihrer Internetseite angibt.
Bullen anhusten
In der Vergangenheit fanden sich besonders derbe Aussagen, die oftmals die Grenze zur Illegalität überschritten hatten. Zu Beginn der Corona-Krise, im April, fielen die „Zündlumpen“ mit einer radikalen Aussage auf:
Von den Bull*innen eingekreist, festgehalten oder aufgeschrieben, taten sie das einzig sinnvolle, das einer*einem in dieser Situation noch bleibt: Sie husteten die Bull*innen an, in der Hoffnung, so zumindest einige der Staatsbüttel dienstunfähig zu machen. Richtig so!“ […] Allen infizierten Bull*innen wünschen wir an dieser Stelle einen besonders schweren Verlauf der Krankheit.“
Besonders absurd mutet der Kontrast zwischen neuer Gendersprache und den radikalen, menschenverachtenden Inhalten an. Nicht nur von „Bull*Innen“ ist die Rede, sondern es wird durchweg gegendert.
Keine Konsequenzen
Konsequenzen für derartige Aussagen und Aufforderungen gibt es keine: Es fehlt der politische Wille, die Betreiber ausfindig zu machen. Dabei ist dem bayrischen Verfassungsschutz das Magazin längst bekannt; wie eine Aufstellung der linksextremen Medien und Knotenpunkte aus einer „Schriftlichen Anfrage“ im April 2019 bereits hervorgeht. Unternommen wurde freilich wenig: Zum einen lassen sich die versteckten Strukturen nicht so leicht aufdecken, zum anderen fehlte bislang der politische Wille.
Das änderte sich nach Angaben des bayrischen Rundfunks im Sommer 2020. Es häuften sich nach Angaben des Rechercheformats „report München“ gezielte Angriffe auf Funkmasten und sogar Sendestationen. Europaweit brannten mehr als 100 Funk- oder Sendemasten. Aufmerksam wurden die deutschen Medien allerdings erst durch zwei Vorfälle: Nachdem Unbekannte einen Mobilfunkmast im Perlacher Forst angezündet hatten, folgten Anschläge auf bedeutendere Infrastrukturen. Im Klartext: Täter brechen auf das Gelände des Bayrischen Rundfunks ein und zünden den BR-Sendemast an. Der Schaden ging in die Millionenhöhe. Kurz darauf ein zweiter Anschlag: „Wenige Wochen nach dem Anschlag auf dem BR-Gelände brannte es wieder in München, dieses Mal entzündeten die Täter einen Sendemast auf dem Gelände der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM)“, berichtet der „BR“.
Und endlich reagieren auch die Behörden und die Staatsanwaltschaft beginnt zu ermitteln. Schnell ist klar: Es handelt sich um linksextreme Anschläge, die die Infrastruktur Deutschlands generell und im speziellen die Sendemaste zerstören wollen. Es geht ihnen dabei nicht nur um den Kampf gegen staatliche Strukturen und gegen den angeblichen Kapitalismus, sondern auch um das Verhindern der 5G Technologie. Im Gegensatz zu vielen Oppositionellen geht es dabei nicht um gesundheitliche Sorgen, sondern um die Sabotage einer „vernetzten, smarten und vollständig kontrollierbaren Welt“. Trotz monatelanger Ermittlungen bleiben erste Erfolge allerdings Wunschdenken. Es gibt keine Spuren der Täter.
Und was hat „Zündlumpen“ damit zu tun? Wieder findet sich ein Aufruf auf der linken Seite: „Zerschneiden wir das Funknetz der technischen Herrschaft!“, fordern die unbekannten Anarchisten. Inwiefern neben den ideologischen Ähnlichkeiten auch personelle Überschneidungen zwischen Straftätern und unbekannten Publizisten besteht, ist unklar. Aufgrund einer immer kleiner werdenden Szene, handelt es sich meist um Multiaktivisten, die selbst Strafttaten begehen, fotographieren, publizieren und Anleitungen schreiben.
Anleitungen zur Straftat
Dass es sich bei diesem Sachverhalt nicht um einen „Einzelfall“ im Kampf gegen 5G handelt, zeigt ein Blick auf unsere Einleitung: Worum geht es in dem Zitat aus „Zündlumpen“? Man will „dunkle Ecken“ schaffen, in denen man sich treffen kann. Klar: die Linken überspitzen hier die Sorge vor staatlichen Kontrollen, doch die Konsequenz ist klar: Überall stehen Straßenlaternen und werfen ihr Licht auf diejenigen, die sich auch trotz Verbot weiterhin draußen herumtreiben. Könnte man die doch nur abschalten …Aber das kann man ja: Dafür brauchst du nur einen Dreikantschlüssel (manchmal auch Schaltschrank oder Universalschlüssel genannt) und einen für bis zu 1000 Volt geprüften Seitenschneider (beides kannst du recht einfach im Baumarkt klauen).“
Anschließend wird mit technischem Wissen erklärt, wie man gefahrlos Straßenlaternen ausschalten kann. Bloße Zerstörungswut und ein Adrenalinkick sind hier eher die ausschlaggebende Motivation, als wirklich das Ziel „dunkle Ecken“ zu schaffen. Der Kampf gegen die Gesellschaft schwingt immer mit.
Corona als inhaltliche Spaltung
Die radikale Linke in Deutschland hat seit Anfang des Jahres mit der Corona-Politik zu kämpfen. Ein Teil der Szene, die sich sonst geschlossen antistaatlich gibt (mit Ausnahme bei Staatsgeldern, die gerne genommen werden), unterstützt die Lockdown-Politik der etablierten Parteien. Zum einen ist die Angst vor dem Virus auch bei den Linksradikalen vorhanden, zum anderen ist es wichtiger, sich von AfD, Querdenkern und anderen Strömungen zu distanzieren – selbst wenn man insgeheim die gleichen Ansichten teilt.
Eine andere Strömung, die sich nicht nur anarchistisch nennt, was viele tun, sondern auch tatsächlich so handelt, kämpft gegen die staatliche Lockdown-Politik, die sie als Ergebnis eines repressiv-autoritären Saates sieht. So auch die „Zündlumpen“, die nicht nur in ihrer neuen Ausgabe deutlich machen, dass Staat, Exekutive und etablierte Parteien als Feinde zu betrachten sind. Dabei nähern sich die Anarchisten der Opposition um „Querdenken“ an, die allerdings zwischen Politik und Gesetzgebung auf der einen, den ausführenden Polizisten auf der anderen Seite unterscheidet. Für die Linksanarchisten wird zwischen Regierung und Straßenstreife kein Unterschied getroffen.
Nichts wird sich ändern
Interessanterweise kam es innerhalb der radikalen Linken noch zu keinen echten Grabenkämpfen, wie beispielsweise zwischen den traditionellen Strömungen, den Antideutschen und den Antiimperialisten. Ob Corona das Potenzial hat, die Szene zu entzweien? Das bleibt abzuwarten. Was allerdings mit Sicherheit passieren wird, sind die nächsten Aufrufe zur Gewalt und Zerstörung, die keine Konsequenzen nach sich ziehen werden. Die bayrischen, wie alle bundesdeutschen Behörden, werden informieren, auflisten, recherchieren und kritisieren – ein juristischer Schlag gegen derartige Portale und Gruppierungen ist und bleibt unwahrscheinlich.