Die linke Szene. Keine andere politische Gruppierung versteht sich so sehr als antisexistisch, antipatriarchaisch oder feministisch. Sexismus, sexualisierte Gewalt oder sexuelle Belästigungen werden seit Jahrzehnten in die konservative, bürgerliche oder rechte Ecke geschoben. Im „heterosexuellen Normalzustand“ der von Männern dominierten Gesellschaft entstehe der Nährboden für antifeministisches und dadurch auch sexistisches Verhalten. Falls Teile der linke Szene den Sexismus oder sexuelle Übergriffe durch Ausländer überhaupt thematisieren und nicht totschweigen, wie in den letzten Jahren beispielsweise in Connewitz oder in Augsburg zu beobachten, wird die Ursache beim männliche Verhalten gesucht, nicht hingegen bei den rückständigen Herkunftskulturen.

Antisexistischer Minimalkonsens

Wo sich die linke Szene an vielen Fragen spaltet, wie der Einordnung des Israelkonfliktes, der Einwanderung von muslimischen Kulturen oder der Frage nach der Existenz des eigenen Nationalstaates, ist der antisexistische Kurs ein unverhandelbares Minimum in der linken Szene. Sexismus gibt es bei uns nicht, werben die linken Gruppierungen in unterschiedlichsten Variationen.

Angefangen von Safe-Spaces bis hin zur genderkorrekten Pronomen, gelegentlich sogar der Übervorteilung von Frauen, distanziert man sich beinahe krankhaft von angeblich gesellschaftlich-normalen Verhaltensmuster der „Cis-Männer“, also der normalen Männer, die weder schwul sind, noch binär, noch ihr Geschlecht gewechselt haben.

Ein Blick hinter die Kulissen

Aber warum reagiert die Linke so? Warum betont man im Minutentakt selbst antisexistisch zu sein? Warum etwas überhaupt erwähnen, was doch eigentlich selbstverständlicher Konsens ist?

Wir haben einen Blick hinter die Kulissen der angeblich so harmonischen Szene geworfen und kommen zum Schluss: Die linke Szene hat ein Sexismus-Problem. Und zwar ein Handfestes. Doch um darauf genauer einzugehen, müssen erstmal zwei Arten von Sexismus definiert werden.

Linker Wohlstandsfilterblasenseximus

Regelmäßig kritisieren sich Teile der linken Szene selbst dafür, noch immer sexistische Schemata zu verwenden. Es gäbe kaum Möglichkeiten der Kinderversorgung- und Unterbringung, stattdessen würde getrunken und geraucht, beschwert sich das „Autonome Frauen-und Lesbenreferat der Uni Köln“, zudem gebe es noch immer Verhaltensweisen von Männern wie das „Raum abtreten“ oder es werden angeblich Bands mit sexistischen Texten eingeladen. Auch Wortmeldungen bei Diskussionen seien durch männliche Verhaltensmuster geprägt.

An anderer Stelle beschweren sich Feministinnen über das Auftreten der „Antifa“ in den sozialen Medien, die beispielsweise „Body shaming“ begingen oder mit aggressiv-männlichem Auftreten sich über „weiblich“ anmutende Neonazis lustig machen. Daraufhin kam Kritik von feministischer Seite, die aber nicht wirklich erhört wurde. Kein Wunder.

Echter Sexismus, sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung

Aber wie verhält es sich abseits vernachlässigbarer Wohlstandsprobleme? Geht man so weit wie möglich zurück, findet man einen ersten Vergewaltigungsfall in der Szene im Jahr 1999. Doch auch hier existieren teils widersprüchliche Aussagen und schwammige Berichte.

Die „AAB“ (Antifaschistische Aktion Berlin) wurde im Jahr 2000 mit diesem Vergewaltigungsvorwurf konfrontiert, berichtet die „Jungle World“. Anstatt den ungeschriebenen Gesetzen der Szene zu folgen – den Schilderungen des mutmaßlichen Opfers zu 100 Prozent zu glauben – befragt die „AAB“ beide Seiten. Offenbar gab es bereits damals standardisierte Verfahren mit solchen Situationen umzugehen. DIE AAB ich ab. Sofort folgt ein Aufschrei von feministischer Seite, die sich gegen die angeblich sexistische „AAB“ stellen und die Szene spalten. Die Befragung des Opfers sei ein Verhör und gleiche einem Tribunal.

„Dies wollten einige Szene-Frauen nicht hinnehmen und stürmten mit Knüppeln bewaffnet die VV der AAB.“, berichtet man weiter. In der bundesweiten Antifa herrschten stürmische Zeiten. Positionspapiere wurden ausgetauscht, Säbel gewetzt, wenn auch ohne wirkliches Ergebnis zum Problem in der angeblich so feministischen Szene. Der Bericht schließt: „Offenbar kommt Sensibilisierung für das Thema nur über die Konfrontation mit konkreten Fällen zu Stande und muss augenscheinlich von jeder Generation neu entwickelt werden.“ So scheint es, dass es bereits ewig diese Probleme im eigenen Dunstkreis gab.

2005: Der nächste Fall?

Fünf Jahre später fast das gleiche Spiel: 2005 bildet sich „Antisexismusbündnis“, als Reaktion auf einen Vergewaltigungsfall bei den Berliner Linksradikalen. Sie selbst schreiben: „Unser Anliegen war es eine interventionsfähige Vernetzung von Antifa-, antisexistischen sowie anderen linken Gruppen zu schaffen, und damit zum Thema Sexismus und sexueller Gewalt auf einer breiten Ebene handlungsfähig zu werden.“  Da Strukturen wie das „AAB“ im Normalfall nicht staatlich finanziert wurden und werden, existiert keine Motivation, sich mit erfundenen Sorgen aufzublähen, wie viele andere linke Gruppen beispielsweise im „Kampf gegen Rechtsextremismus“: Dort profitiert man finanziell, wenn man das Problem größtmöglich aufbauscht. Doch das ist hier schlichtweg nicht der Fall.

Alles Schnee von gestern? Nicht ganz. In den letzten beiden Jahren häufen sich die Fälle. Im Dezember 2019 lässt sich ein Vorfall nicht vertuschen und die Szene ziemlich ratlos zurück. Im Herzen von Connewitz, dem alternativen Viertel Leipzigs,  im „Conne Island“, dem linken Szeneladen schlechthin, findet ein „sexuell motivierter Übergriff“ durch ein Mitglied der Band statt. Während der eigenen After-Show-Party. Kurze Zeit später spricht die Presse und die Verantwortlichen von einer Vergewaltigung.  

Der Täter wurde in Gewahrsam genommen, die Szene zeigt sich wieder einmal „schockiert“. „Schockiert“ – das ist ein Begriff der in diesem Zusammenhang häufiger fällt. Er tritt in Situationen auf, die nicht sein können – nicht sein dürfen.

Serientäter in Connewitz?

Tatsächliche Statistiken existieren über das tabuisierte Thema nicht. Wie soll man sie auch einordnen? Es ist keine politische motivierte Kriminalität, die nach rechts oder links unterteilt wird und auch die Herkunft spielt keine Rolle. Es sind Straftaten, die von einheimischen Deutschen an deutschen Frauen begangen werden.

Einzige Hinweise liefern beispielsweise die Zahlen über die sexuellen Übergriffe in Leipzig, insbesondere in den Weggehvierteln im Süden der Stadt. Die sind seit 2016 angestiegen. Allerdings kann auch hier keine genaue Aussage getroffen werden, ob die Migranten die Statistik verzerren oder ob die neuen, strengeren Gesetze den Anstieg verursachten. Polizeisprecher Andreas Loepki betont: „Auf dieser Grundlage können Straftaten wie etwa das ‘Antanzen‘ als Sexualdelikt geahndet werden, was etwa auch den Anstieg in den Ausgehbezirken Mitte wie Süd erklären kann.“

2019 kommt ein weiterer ernstzunehmender Vorfall an die Öffentlichkeit. Der Eigentümer zweier Szenekneipen vergeht sich auf einer Party, offensichtlich sturzbetrunken, an einer Frau. Erst viel später wird der Vorfall publik, die linke Szene reagiert zuerst gar nicht, anschließend, aber mit ihrer „berühmten“ Solidarität mit dem Opfer.

Nur ein Schlafwandler?

Der Täter wird öffentlich geächtet – gibt eine Stellungnahme ab – und zieht weg. Er vollziehe sexuelle Handlungen als Schlafwandler, so seine Erklärung, dies sei eine anerkannte Krankheit, die insbesondere unter Alkohol- oder Rauschgifteinfluss hervorbreche. Bereits ein Jahr zuvor, so kommt zeitnah heraus, hatte er auf seiner eigenen Party sich an einer Frau vergangen – doch damals sei das Thema totgeschwiegen.

Erst knapp zwei Jahre nach den ersten (?) Vorfällen werden erste Konsequenzen gezogen, auch hier spaltet sich die Szene. Ein Kommentar auf „indymedia“ zeigt die ganze moralische Verkommenheit im Verrenkungsdenken der Linksradikalen: „Natürlich ist der Täter niemals nur Täter sondern auch ein, wie wir alle, von den Verhältnissen zugerichteter Mensch“ Man macht in letzter Instanz die verhasste „Gesellschaft“ für das eigene perverse Verhalten verantwortlich – und auch hier bekommt der Täter überraschend viel Solidarität aus dem eigenen Lager.

Zwischen Selbstverständlichkeiten und kaputten Alarmknöpfen

Ein Ursprung dieser merkwürdigen Einstellung zu sexualisierter Gewalt oder Belästigungen mag in der linken Historie begründet liegen, die oben bereits angesprochen wurde. Durch das traditionelle Dogma, immer den Frauen, den angeblichen oder tatsächlichen Opfern, den Feministinnen Glauben zu schenken, haben die Männer der Szene einen Schutzmechanismus aufgebaut, der die Vorfälle erst einmal runterspielt. Es kann nur schwer entschieden werden, ob tatsächlich eine strafbare Handlung stattgefunden hat oder ob eine Frau sich eine neue Geschichte an den Haaren herbeigezogen hat, oder sogar ursprünglich mit der sexuellen Handlung einverstanden war. Das Ganze scheint so, als hätten die linksradikalen Frauen zu oft den Alarmknopf gerückt, wodurch er wirkungslos geworden ist – auch in ernsten Fällen. Und die finden statt.

Auch in Dresden kam es zu sexueller Gewalt oder sexuellen Übergriffen in der Antifa. 2018 schildert eine Gruppe anonymer „solidarischer Frauen“ die Reaktion der Szene auf einen Vorfall, der nur schleppend aufarbeitet wurde und die eigentlich erwartbare Solidarität vermissen ließ, zwischen den Zeilen könnte man sogar von einer Vertuschung sprechen, zumindest von einer schweigenden Mehrheit innerhalb der linken Gruppe. Die Kritikerinnen sprechen vom „Scheitern einer Selbstverständlichkeit“.

Hamburg: Wem soll man glauben?

Auch im Norden gab es kürzlich einen ähnlichen Fall: In Hamburg wurde eine 19-Jährige, die sich wohl recht neu in der linken Szene aufhielt, mehrmals von einem 30-Jährigen missbraucht, der sie über Monate hinweg ausnutzte, bis sie die Vorfälle öffentlich machte. An dieser Stelle muss gesagt sein, dass solche Anschuldigungen mit Vorsicht zu betrachten sind, da das mutmaßliche Opfer regelmäßig den Kontakt zum Täter suchte. Die Schilderungen muten merkwürdig an: Keine Polizei, keine Versuche sich ernsthaft zu wehren, stattdessen wiederholter Besuch beim „Täters“. Es ging nicht anders, betont die junge Frau.

Auch das fälschliche Beschuldigen von Männern aus der Retrospektive heraus ist generell, aber wohl im Besonderen in der Szene, ein Problem, dass die ganze Einordnung noch schwieriger gestaltet. 2009 kommentiert ein Nutzer auf „indymedia“ unter einen fast identischen Vorfall: „Habt ihr auch nur einmal darüber nachgedacht, dass an den Vorwürfen gegen „Peter“ (Name wurde geändert) vielleicht überhaupt nichts dran ist?!? Respekt vor „Peter“, der dieses traurige Spiel offensichtlich über Monate mitgemacht hat, wahrscheinlich aus der politischen Korrektheit eines aufrichtig bemühten Szenemannes heraus.“

Wohnprojekt in Gotha

Das thüringische Gotha beherbergt eines der typischen linksradikalen Wohnprojekte. „Das Juwel“ soll Freiräume vor der patriarchischen und unterdrückenden Gesellschaft bieten. Im Herbst 2019 kommt es auch hier zum Eklat. Ein Hausbewohner des Projektes lädt einen weiblichen Gast ein, auf seiner „ranzigen Matratze“ zu schlafen. Natürlich sind wieder alle Beteiligten betrunken, es kommt zur versuchten Vergewaltigung. Wochen später beginnt auch hier die szenetypische Aufarbeitung, mit einem „Plenum“, die im Februar 2020 an die Öffentlichkeit getragen wird. Der Täter musste das Wohnprojekt mittlerweile verlassen. Man beteuert das Unverständnis, man stehe unter Schock. Damit ist das Thema beendet. Ob die Polizei eingeschaltet wurde, wird nicht bekanntgegeben. Verständlich, in einer Szene, die sich vom Hass auf Staat, Justiz und Polizei nährt.

Sexuelle Gewalt in der Interventionistischen Linken

Szenewechsel Bundesebene. Wenige Monate zuvor, im August 2019, veröffentlicht die „Interventionstische Linke“ einen „Leitfaden im Umgang mit sexueller/sexualisierter Gewalt innerhalb der „Interventionistischen Linken“. Auch das macht skeptisch. Warum kennt man solche Veröffentlichungen nicht aus anderen Gruppierungen und Vereinen? Warum braucht die AfD oder die „Identitäre Bewegung“ keinen Leitfaden über das schwierige Thema? Die Broschüre gibt sich unspezifisch, wenngleich sie klar einsteigt: „Sexuelle/sexualisierte Gewalt kommt überall vor: auch in der linken Szene, auch bei der Interventionistischen Linken (iL).“ Zudem erklärt man, dass das vorliegende Dokument ursprünglich ein internes Dokument war, das nicht für den öffentlichen Gebrauch bestimmt war.

Das schließt zumindest die Veröffentlichung mit dem Ziel der medialen Reichweite aus. Aber warum brauchen die Mitglieder einer der größten deutschen linksradikalen Organisation einen internen Leitfaden über sexualisierte Gewalt? Auch deutet die Einrichtung einer Opferberatung und von Schutzräumen auf ein ernstzunehmendes Problem hin, auch wenn nicht auf spezifische Fälle eingegangen wird. Wie viele Fälle gab es im Umfeld der „Interventionistischen Linken“? Bei einer Vortragsankündigung in Hannover schrieb man 2019: Auch in Gruppen der Interventionistische Linken, unserer Organisation, gab es Vorfälle sexueller und sexualisierter Gewalt.

Nicht nur die IL

Auch an anderer Stelle gibt es einen weiteren Hinweis auf das „offene Geheimnis“. So kommentiert eine anonyme Person unter einer diesjährigen Vortragsankündigung über „Sexismus in der Linken“ in Bochum:  

„Echt jetzt? Jahrelang hat in der jugendlichen Antifa-Szene der Sexismus grassiert. Leute, die den Sexismus kritisierten wurden und werden bedroht. Es gibt wohl keinen Fettnapf, keine selbst- und fremdgefährdende anti-soziale Handlungsweise, die die Jugend-Antifas ausgelassen haben.
Aber „Schwamm drüber“. Jetzt werden alle Anti-Sexist*innen. Einfach immer weiterlabern!!!“

Literarische Aufarbeitung

„Anna und Jonas sind Figuren einer linken studentischen Szene in Leipzig Connewitz, wie es sie auch in Freiburg gibt: Beide sind Geisteswissenschaftler*innen, ihr Alltag spielt sich zwischen Universitätsbibliothek und Plenum im linken Zentrum ab, ihre Gespräche handeln von Genderrollen in der Literatur und ob es okay ist, sich bei der Fußball-WM für Deutschland zu freuen. Es ist ein Umfeld, in dem viel reflektiert wird über den Umgang zwischen Männern und Frauen, über Selbstbestimmung, Grenzen und Übergriffigkeit. Ein Umfeld, in dem niemand eine Vergewaltigung erwartet und vielleicht auch deswegen nicht wahrhaben will.“

Dass die linke Szene offensichtlich große Probleme mit diesem eigentlich verbannten – oder totgeschwiegenen – Komplex haben, zeigt auch ein Buch mit dem passenden Titel: „Nichts was uns passiert“, in dem offensichtlich das Thema literarisch aufgearbeitet wird.

Systematische Aufklärungen, Statistiken, Aufarbeitungen finden trotz einzelfallartiger Beteuerungen und „Soli-Aktionen“ nicht statt. Zu sektenhaft ist die kollektive Gemeinschaft der radikalen Linken – zu groß der Schaden, offen mit den Straftaten umzugehen. Wie viele Fälle tatsächlicher Vergewaltigungen – wie viele Fälle eingebildetes Feministengeschrei es wirklich gibt – darüber weiß momentan niemand Bescheid. Man kann es nicht einmal ansatzweise erahnen.

Immer das gleiche Spiel...

Wir haben bei weitem nicht alle Fälle angeschnitten. Bei der Recherche zu diesem Artikel bildet sich aber schnell ein Muster heraus, das seit 20 Jahren dominiert: Nach Monaten des schamvollen Schweigens wendet sich das linke Opfer an die linke Szeneöffentlichkeit. Oftmals sind das junge Frauen, die neu in der Szene sind. Sofort beteuern alle Beteiligten, dass es ein Skandal wäre, es so etwas in der linken Szene nicht geben dürfe und dass man sich mit den Opfern solidarisch zeigen muss. Sofort bilden sich Räte und Diskussionsplattformen, der Täter – meist ein älterer Szeneangehöriger mit einem gewissen Bekanntheitsgrad –  wird öffentlich verurteilt und ausgegrenzt, anschließend entwickelt man theoretische Ansätze und Positionspapiere, dass so etwas nie wieder vorkommen dürfe.

Nach kurzer Zeit passiert der nächste Vorfall, in irgendeiner anderen linken Gruppe, einem anderen Wohnprojekt, in einem anderen Kulturverein und das ganze Spiel beginnt von vorne. Ein Kommentar unter einem Artikel von 2009 weist in die gleiche Richtung: „Prinzipiell finde ich Arbeit im Umgang mit Tätern wichtig und sinnvoll. Sie sind eine Methode von dem üblichen „raus aus der Szene“-Totalauschluss wegzukommen, der nur ein Zeichen für Hilflosigkeit im Umgang mit Vergewaltigung ist.“ Der „übliche Totalauschluss“. Wie üblich er ist, kann nicht gesagt werden, doch zumindest seit wann es solche Probleme gibt: In der stark vernetzten Szene reichen die Berichte nachweislich zwanzig Jahren zurück – limitiert durch das Internet und die Archivierung. Ob in den 80ern und 90er ähnliches passierte? Vermutlich.

Linke Realitäten

Zum einen findet in der linken Szene sexualisierte Gewalt und sexuelle Nötigungen statt – auf der anderen Seite wird von linken Frauen viel herbeigedichtet. Und das stört mittlerweile selbst den linken Mann. Im sozialistischen „Neuen Deutschland“ berichtet eine Referentin über ihre aktuellen Erfahrungen in der linken Szene und fasst das Spannungsverhältnis treffend zusammen:

„Auch in linken Gruppen und auf linken Veranstaltungen geht es immer wieder darum, ob es denn nötig ist, schon wieder ein feministisches Fass aufzumachen. Weil das linke Gruppen oder die Linke als Ganze spalten würde, weil Sexismus doch gar nicht mehr so ein Problem sei, weil man selbst ja eigentlich reflektiert ist im Gegensatz zu den anderen unpolitischen Atzen da draußen. Mein pöbelnder Zuhörer ist nicht die Ausnahme, er ist die Regel.“

Ein Sumpf aus Sexismus und Antisexismus

Die Linke hat ein Sexismusproblem. Ein echtes, ein lächerliches und irgendwo dazwischen richtungslose junge Männer, die sich zugleich beim radikalen Kampf gegen den Kapitalismus nicht mehr von Feministen gängeln lassen wollen. Das Kernproblem ist bei den verwaschenen Trennlinien zu suchen. Wenn linke Feministinnen das breitbeinige Sitzen im Bus – „manspreading“ auf die gleiche sprachliche Stufe wie ernsthafte sexualisierte Gewalt stellen, blickt irgendwann niemand mehr durch. Weder normale Männer, noch Täter und  noch weniger die verunsicherten Frauen, die tatsächlich Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Und davon gibt es deutlich mehr, als man auf den ersten Blick erwartet hätte.

So drängt sich zum Abschluss ein schwerwiegender Verdacht auf: Ist der ganze linke Komplex um Frauenrechte, Sexismusaufschrei, Antisexismusarbeit, sichere Frauenräume und Anti-Männer-Doktrin eine logische Entwicklung aus den eigenen Erfahrungen? Ist es gar kein Hirngespinst linker Feministinnen, die einfach nur in den Mittelpunkt wollen, wie ihnen von anderer Seite unterstellt wird, sondern ein tatsächliche Reaktion auf die sexuellen Übergriffe in der eigenen Szene? Glauben linke Frauen, dass viele Männer Frauen ausnutzen, misshandeln, dominieren wollen, weil sie genau das in ihrem Umfeld, in der „antipatriarchaischen“ Szene erlebt haben?