Vor knapp zwei Wochen wurde in Sachsen und Thüringen gewählt. Jetzt folgen die ersten Sondierungsgespräche zwischen den Parteien. Während auf kommunaler Ebene die AfD sogar eine Fraktion mit den Grünen bildete – die Gemeinde Gohrisch in der Sächsischen Schweiz – dauert es auf Länderebene wie zu erwarten länger, bis die CDU sich traut den ersten Schritt zu machen. In Sachsen könnte sich eine Kenia-Koalition anbahnen. Unter der CDU-Führung von Michael Kretschmer wollen CDU, SPD und Grüne herausfinden, ob eine politische Zusammenarbeit möglich ist, um die unliebsame AfD auszuschließen.  

Auch im Nachbarland Brandenburg ist die vormals SPD-geführte Regierung auf eine Zusammenarbeit mit Grün und Schwarz angewiesen. Das bislang rot-rote Bundesland ist durch die historische Schwäche der LINKEN in Kombination mit der strauchelnden SPD auf eine neue Führung angewiesen. Rein rechnerisch wäre in beiden Bundesländern die Kenia-Koalition möglich. Ob eine programmatische Zusammenarbeit zwischen CDU und Grünen zustande kommen könnte, werden die nächsten Wochen zeigen. Neu ist schwarz-grün keineswegs: In Hamburg einigten sich 2008 die beiden Partner erstmals auf eine Zusammenarbeit, die nach zwei Jahren krachend scheiterte. Aktuell regiert in Hessen und Baden-Württemberg schwarz-grün. Im Zuge der Ökologisierung der CDU unter Angela Merkel – Stichwort Fukushima – und dem grünen Flirten mit dem bürgerlichen Lager, verstehen sich beide Parteien zumindest inhaltlich immer besser. Dabei darf aber nicht vergessen werden: In den neuen Bundesländern sind die Christdemokraten deutlich konservativer und realitätsnäher als im Westen. Eine grüne Koalition in Brandenburg oder Sachsen würde die regionalen CDU-Verbände massiv schwächen und die Wähler enttäuschen.

Nicht nur der Erdrutschsieg der AfD hat für neue Kräfteverhältnisse gesorgt. Auch ganz ohne patriotische Politik hätten die etablierten Parteien Stimmen eingebüßt. Warum dies der Fall ist, wird von den Medien kaum berichtet, von den Parteien selber totgeschwiegen und der schwarze Peter an die AfD weitergereicht. Zeit für eine Wahlnachlese – Zeit für einen Blick nach links.

Profillose Sozialdemokraten

Brandenburg wird seit 29 Jahren von der SPD regiert. Im letzten Wahlkampf trat Sozialdemokrat Woidke unter dem platten Slogan „Ein Brandenburg“ an. Was genau das sein soll, wurde weder seinen Gegnern noch seinen Wählern klar. Dabei hatte Woidke vor allem ein Problem: Die Überalterung der SPD-Wählerschaft. 32.000 ehemalige SPD-Wähler verstarben seit dem letzten Urnengang, jeweils  ungefähr 15.000 Wähler gingen zur CDU, zu den Grünen oder blieben der Wahl fern. Ebenfalls 14.000 wechselten zur AfD. Auch in Sachsen ein ähnliches Problem: 20.000 SPD-Wähler verstarben, 34.000 gingen zur CDU. Die SPD fällt auf 7,7 Prozent. Ein bundesweites Dilemma der SPD: Das alternativlose Phrasenprogramm, eingeklemmt zwischen jungen und dynamischen Grünen, sozialdemokratischer CDU und überalterter Wählerschaft.
Zwar wurde die SPD in Brandenburg wieder stärkste Kraft, was man der passablen Arbeit der rot-roten Regierung zuschreiben könnte, allerdings wird auch hier auf kurz oder lang die SPD untergehen. Die Tendenz ist eindeutig. Von heute unvorstellbaren Prozentzahlen über 54 Prozent (1994), fallen die Sozialdemokraten auf 26,2 Prozent zurück.

Das Problem der „Alten Tante“ ist eine inhaltsleere Dauerschleife aus diffuser „sozialer Gerechtigkeit“ und „Stärkung“ der Arbeiterschaft, der Frauen, der angeblich Benachteiligten und des kleinen Mannes. Dass die Partei auf Bundesebene diese Stärkungen mit Gendersternchen und Trans-Toiletten durchsetzen will und die Niedriglöhner in ein Konkurrenzverhältnis mit Millionen legaler und illegaler Migranten setzt, hat sich auch bei den Bürgern herumgesprochen. Die Landesverbände wissen es – können mit ihren schwachen föderalen Kompetenzen die Probleme aber nicht angehen. Die ehemalige Volkspartei versucht mit Beschwörungen und alten Erfolgen zu überzeugen. Die SPD ist am Ende.

Der Aufstieg der Grünen

Die Grünen haben in beiden Bundesländern deutlich zugelegt, in Brandenburg verdoppelten die Grünen ihre Stimmen auf fast 11 Prozent. Hauptsächlich speisten sie ihren Erfolg aus den Erstwählern und den ehemaligen Nichtwählern. Der Wahlkampf der Grünen geht auf: junge Menschen in ihr Boot ziehen und eine permanente Dringlichkeitsthematik, sei es die Angst vor Rassismus oder dem Weltuntergang durch CO2, lockt die bisher passiven Bürger an die Urnen. 

Wenn eine linke Partei als Gewinner aus den Wahlen hervorgeht, dann die Grünen. Sie konnten nicht nur enttäuschte linke Wechselwähler abwerben, sondern sich ein ganz neues Wählerpotenzial erschließen. Trotzdem bleibt die Stärke der Grünen im Osten, hinter denen im Westen zurück. Traumhafte Ergebnisse wie in Baden-Württemberg (30,3 Prozent) oder Bayern (17,6 Prozent), werden auch jenseits des „Westens“ undenkbar bleiben.

Erinnern wir uns an Fukushima zurück: Die Grünen mit einem bärenstarken Ergebnis, das kurz danach wieder kollabierte. „Bündnis 90“ sind trotz bundesweiter Bemühungen noch immer eine Einthemapartei, die sich zwar sexy verkauft, jedoch in anderen politischen Fragen ihr enges grünes Korsett nicht zu verlassen versteht. Und die Grünen sind vor allem eines: Eine „Fenster-Partei“. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler John Kingdon entwickelte in den 80er Jahren eine Theorie, dass sich für bestimmte Politikfelder erst Fenster (Policy-Windows) öffnen müssen, bevor das Problem angegangen werden kann. Nach Fukushima kam Greta und das CO2. Flaut dieser Hype ab, werden die Grünen wieder Stimmenanteile verlieren. Das Fenster schließt sich.

Die LINKE

Größter Verlierer in den östlichen Bundesländern ist die Nachfolgepartei der SED, die LINKE. 1990 erreichte die LINKE in Brandenburg gut 13 Prozent der Stimmen und begann ihren Siegeszug, der 2004 und 2009 in der Regierungsbeteiligung gipfelte. Seit der rot-roten Regierung merken aber auch die Brandenburger immer deutlicher, dass die oppositionellen Versprechen der Sozialisten dem Bereich heiße Luft zuzuordnen sind. Aktuell liegt die LINKE mit 10 Prozent beim schlechtesten Ergebnis in der demokratischen Geschichte Brandenburgs. Auch in Sachsen stürzte die ehemalige SED ab: 10,4 Prozent im amtlichen Endergebnis. Zumindest ist die LINKE so ehrlich, den Grund ihres Niedergangs nicht bei der AfD zu suchen. Zwar sind ganze 30.000 sächsische Wähler zur AfD gewandert, allerdings machen die Funktionäre hauptsächlich interne Spannungen für das schwache Ergebnis verantwortlich. Die Linke ist zwar nicht so profillos wie die SPD, steht allerdings am parteilichen Scheideweg. Der schwächelnde Wagenknecht-Flügel will einen „realistischeren“ Sozialismus, ist gegen Multi-Kulti, Gendergaga und sonstige Sozialexperimente. Der progressive Flügel hingegen steht in derartigen Fragen näher bei den Grünen. Der Politologe Thorsten Fass erklärt gegenüber dem MDR: Es gibt große Probleme, weil die Linkspartei vor allem in ihrer Wählerschaft und auch in ihrer Funktionärsriege zwei Positionen vereinen muss. Da gibt es migrationskritische Strömungen, aber es gibt auch klassisch linke, offene, international ausgerichtete Strömungen. Wenn man dann über Migrationsfragen redet, dann ist der Konflikt vorprogrammiert“.

Vergessen darf man dabei auch nicht, dass durch den Linksrutsch der SPD die Linke weiter eingeengt wird. Einen „bürgerlichen Sozialismus“, sollte es derartiges überhaupt geben, findet man mittlerweile bei der SPD. In Brandenburg wechselten beispielsweise 30.000 Wähler von der LINKEN zur SPD. Das sind ganze 20 Prozent der Wählerschaft von 2014.

Ausblick

Netto haben die linken Parteien verloren. Erinnert man sich an die Bundestagswahl im Jahr 2017 oder die letzte Wahl in Bayern, bei der die kumulierten Stimmenanteile linker und rechter Parteien stagnierten, ist dieser Trend in den neuen Bundesländern gebrochen worden. Trotz eines kleinen Aufbegehrens durch die Grünen. Sollten die nächsten Wahlen die gleiche Tendenz hervorbringen, wird eine Koalition zwischen AfD und CDU unausweichlich bleiben. Kenia hin oder her: Irgendwann gehen den Mitte-Links-Parteien die Flaggen aus.