Die Hausbesetzerszene in Berlin steht seit dem letzten Jahr unter immer stärkerem Druck. Räumungsklagen, Drohungen von Seiten der Stadt und der rechtmäßigen Besitzer, holen viele „Hausprojekte“ auf den Boden der Tatsachen zurück, die teilweise seit der Wende illegal „squatten“, der Szenebegriff für illegale Hausbesetzungen. Auch die bekannten Hausprojekte in der Liebigstraße 34, der Rigaer Straße 94 und das Syndikat müssen womöglich bald ihre Zelte abbrechen.

Verantwortlich aus Sicht der Linksextremen sind die Profitinteressen der Eigentümer und Immobilienunternehmen, die entweder ihre legal erworbene Immobilie zurückhaben wollen, oder um den Marktwert ihres Objektes fürchten. Wer sich einmal vor Ort ein Bild über die andauernden Hausbesetzungen gemacht hat, dem wird schnell klar: Hier muss der Eigentümer Millionen in die Hand nehmen, um auch nur irgendwie akzeptable Räumlichkeiten vermieten zu können.

In der Liebigstraße 34 gehört das Haus seit einigen Jahren der Immobilienfirma Padovizc, die zum Hassunternehmen der Linken avanciert ist. Mitunter werden sogar Autos der zugehörigen Hausverwaltungsfirma angezündet. Padovizc hatte vergangenes Jahr den Pachtvertrag nicht verlängert, die Besetzer weigerten sich auszuziehen. Jetzt soll der Berliner Senat politisch vermitteln.

 Auch in der Rigaer Straße 94 ist die Zukunft der Bewohner, vor allem aber der Szenekneipe „Kadterschmiede“ im Erdgeschoss ungewiss. Seit 2019 findet ein Rechtsstreit über die Räumung des besetzten Gebäudes statt. Nicht nur bezüglich der Eigentumsfragen gibt es Probleme mit den Linken: Der Berliner Verfassungsschutz sieht dort eine „zentrale Institution der gewaltbereiten autonomen Szene Berlins.“

In die Enge getrieben und mit der Aussicht konfrontiert, einem geregelten Leben nachgehen zu müssen versucht die linksextreme Berliner Szene neue Häuser zu besetzen. Die Aktionen sind meist eine Mischung aus politischem Idealismus, Freizeitbeschäftigung und dem Versuch, die Lokalpolitiker und Eigentümer unter Druck zu setzen.

Am Wochenende fanden im Berliner Stadtgebiet zahlreiche „Aktionen“ statt. Die linke Szene hatte zu den „Tu mal wat“-Tagen in Berlin aufgerufen, man wollte zeigen, dass man noch immer präsent ist, sich „Freiräume schaffen“ kann und ein Zeichen gegen „Mietenwahnsinn“ und „Bullenstaat“ setzen möchte.

Zum Auftakt starteten die „Aktionstage“ mit einer „Pyjama-Party und Klingelstreichen“ – keine Satire – bei dem Firmensitz von Padovizc, die nach Meinungen der Szene für einen Teil der Misere in „ihrem“ Kiez verantwortlich ist.

„Vor dem Büro von Gijora Padovicz am Kurfürstendamm 178/179 veranstaltete das queer-feministische Hausprojekt Liebig34 ein Warm-Up gegen den durch Padovicz vorangetriebenen Rausschmiss. Unter dem Motto „Wenn du uns räumst, ziehen wir bei dir ein“ versammelten sich rund 50 Personen zwischen 21 Uhr und 0 Uhr vor dem Gebäude und demonstrierten mit Matratzen, Decken und einigem Mobiliar was es bedeutet im Winter (der Räumungsprozess gegen das Projekt ist im November) die Wohnung zu verlieren.“

Am selben Tag zog eine weitere Gruppe Linker durch Friedrichshain und bekleisterte Geldautomaten der Firma „Euronet“, die nach Angaben der Linksextremen mit der Immobilienfirma Padovicz kooperiert. Padovicz vermietet eine Ecke ihrer Hausfläche an Euronet, die den Kiez mit Geldautomaten ausstattet und sich über Abhebegebühren finanziert. Nichts anderes als ein normaler Vorgang, die Demonstranten hingegen sehen darin ein Zeichen der Gentrifizierung und der „Abzocke“: „Auch wir als Bewohner*innen Berlins bereichern Investor*innen, denen es nicht um unser Wohl geht. Über 70 Prozent der Abhebungen an den Geldautomaten sind von inländischen Girokontos.“ Dass jeder Kunde vor dem Geldabheben gefragt wird, ob er die Gebühren bezahlen möchte, ist für die Aktivisten nicht von Belang.

Samstagnacht kam es schließlich zum Höhepunkt der „Aktionstage“. Aktivisten besetzten das leerstehende Wohnhaus in der Frankfurter Straße 187 sowie das alte Brauereigebäude in der Landsberger Allee 54.  Mehrere Hundert solidarische Demonstranten begleiteten, die im Vorfeld angekündigte Besetzung. Das Haus in der Frankfurter Allee befindet sich im Eigentum des Berliner Senats. Die Besetzer verhandelten mit dem verantwortlichen Geschäftsführer des Berliner Immobilien Managements (BIM), eine staatliche Einrichtung, die dem Senat unterstellt ist. Katalin Gennburg (Die LINKE) vermittelte bei dem Gespräch.

Nachts um 1:30 Uhr verließen die Besetzer „selbstbestimmt“ das Gebäude in der Frankfurter Straße. Ob sich die Verantwortlichen in Polizeigewahrsam befinden ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt.

„Die Bedingung der BIM erst zu verhandeln, wenn wir das Haus verlassen hätten, war für uns keine Option. Wären wir gegangen, hätte die BIM nicht ernsthaft mit uns verhandelt. Wären wir geblieben, wären wir am Sonntag geräumt worden und die BIM stände gut da“, erklärt ein Aktivist in einer Pressemitteilung.

Während der Verhandlungen erfuhren die Beteiligten und die Öffentlichkeit, dass der Berliner Senat das Gebäude an den Bund verkauft hatte, die das Haus abreißen und ein neues Archiv aufbauen will. Man bot den Linken im Falle eines Abzugs an, an Verhandlungen über die weitergehende Nutzung teilzunehmen, die wiederum lehnten aus den oben genannten Gründen ab. Außerdem hatten die Besetzer die Aktion und die Temperaturen deutlich unterschätzt, man forderte auf, dass Rettungsdecken, Schlafsäcke und Versorgungsgüter ins Haus gebracht wurden, was die Polizei verhinderte und letztendlich eher zum Einknicken der Aktionstruppe führte.

Zeitgleich erklommen drei Kletterer aus den Reihen der Hausbesetzer das Fabrikgebäude in der Landsburger Allee 54, während hunderte Menschen vor dem Gebäude applaudierten oder zusahen. Dort dauerte die Hausbesetzung länger, am Sonntagmorgen wurde das Gebäude schließlich von der Polizei geräumt und die Aktion beendet. Die drei linken Kletterer befinden sich nach aktuellen Angaben (Stand 30.09; 2:00 nachts) noch immer in Untersuchungshaft. Für die solidarischen Linken ist das Verhalten der Polizei nicht nachzuvollziehen, denn „Besetzen ist kein Verbrechen“, so das #besetzen-Bündnis auf Twitter.

An weiteren Nebenschauplätzen fanden die typischen Aktionen der Linksextremen statt. Man zog marodierend durch die Straßen und warf Luxuskarossen die Fenster ein.

Auch militantere linke Gruppen schlossen sich den „Tu mal wat“-Aktionstagen an. Dabei versuchte eine Gruppe das Amtsgericht Pankow/Weißensee mit einem Brandsatz anzuzünden. Die Presse berichtete bislang nicht über den Vorfall, es entstand lediglich ein Sachschaden im Eingangsbereich. Die Begründung der Linksextremen in ihrem Bekennerschreiben auf „indymedia“: „Wir haben dieses Ziel ausgewählt, weil die staatliche Justiz niemals für Gerechtigkeit sorgen wird, da ihre einzige Aufgabe die Legitimation der bestehenden Gewaltverhältnisse ist.“

So endet ein weiteres linksextrem geprägtes Wochenende in Berlin, das trotz enormer Einsatzkosten und Sachbeschädigungen zumindest friedlich ausging. Das Aktionsbündnis „Tu mal wat“ hat aber vor allem eines gezeigt: Dass die Berliner Politik härter gegen die linksextreme Szene vorgehen muss, um solche Chaoswochenenden zu verhindern. Momentan ist nicht davon auszugehen, dass jemand der Verantwortlichen oder Beteiligten mit einer ernsthaften Strafe rechnen muss.