Wer sind eigentlich die vermummten Linksextremisten? In den seltensten Fällen gelangen Informationen, wie beim polnischstämmigen Straftäter Marek M., besser bekannt als Isa, an die Öffentlichkeit. Während bei Rechtsextremisten häufig der mediale Fokus auf einzelnen Personen liegt, orientiert sich Presse und Politik an der Selbstzuschreibung der Linksextremen: Schwarzer Block. Es sind kaum einzelne Intensivtäter bekannt, es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein Name zweimal fällt. Selbst die Fahndungen der Polizei laufen häufig ins Leere. Neben der typischen Vermummungstaktik der Linken ist allerdings noch ein anderer Grund für dieses Phänomen verantwortlich.

Der Politikwissenschaftler Tom Thieme erklärt für die Bundeszentrale für Politische Bildung (BPB):

„Eine längerfristige Vernetzung der Autonomen scheitert jedoch auf nationaler wie internationaler Ebene an der häufig geringen Verweildauer der einzelnen Mitglieder innerhalb der Szene. Anders als bei Parteimitgliedern und ihrer meist lebenslangen Verbundenheit beträgt die durchschnittliche Szenezugehörigkeit nur wenige Jahre im jugendlichen Lebensalter.“

Quelle: BPB.

Gelegentlich berichtet die überregionale Presse über das Alter von linksextremen Straftätern, wie zuletzt die „Berliner Zeitung“. Und jedes Mal wundert sich der Leser aufs Neue, wie jung die Autonomen sind. Zudem gibt es zwei Typen von Linksextremen: Zum einen der linke Dauerstudent, der sich in seiner Freizeit zur Antifa bekennt, eine linksradikale oder linksalternative Grundhaltung aufweist, allerdings eher dem Bürgertum entstammt. Einfach gesprochen: Die Eltern wählen grün, die studierenden Kinder haben Berührungspunkte mit dem linksextremen Lager. Meistens sind die Akteure Anfang 20 und wurden auf der Universität sozialisiert. In den seltensten Fällen verbleiben die Studenten im linken Milieu.

Ein bekannter Fall aus Göttingen, über den wir bereits berichteten, war ein 22-jähriger Linksextremer, der die typische radikale Karriere durchlaufen hatte, um noch während seines Studiums als Mehrfachstraftäter vor Gericht gestanden zu haben. Die meisten Linksextremen trennen sich nach ihrem Studium von der Szene. Nur einige wenige bleiben Dauerstudenten oder verharren als Arbeitslose im linken Universitätsmilieu.

Die zweite Gruppe sind Jugendliche, die in der linksextremen Szene großgeworden sind und gar keine universitäre Laufbahn absolvieren oder planen. Bekannt wurden einige anonyme Straftäter, die versuchten die oben erwähne Szenelegende „Isa“ freizupressen, in dem man eine Berliner Verwaltung überfiel und Beamte bedrohte. Die „Soligruppe für Isa und Nero“ bestand zum Tatzeitpunkt aus mehreren Minderjährigen, die zum Umfeld des sogenannten „Hausprojektes Rigaer 94“, einem verwahrlosten und besetzten Wohnhaus, gehörten. Diese Jugendlichen zählen häufig zum Prekariat, einem Milieu, das im Gegensatz zum Proletariat durch eine hohe Unsicherheit und fehlende Zukunftsperspektiven gekennzeichnet ist. Unter Verweis auf den Verfassungsschutz veröffentlich die Berliner Zeitung im Jahr 2016 den „typischen“ Linksextremen: „Sie sind männlich, zwischen 21 und 24 Jahre alt, haben trotz mittlerer Reife meist keinen Job – und 92 Prozent von ihnen wohnen noch bei Mutti.“

Quelle: Berliner Zeitung.

9 von 10 Linksextremen haben keinen Freund oder keine Freundin, jeder dritte ist arbeitslos und sie kommen hauptsächlich aus Berlin-Neukölln oder Friedrichshain-Kreuzberg. Dieser „Kern“ der linken Szene existiert allerdings fast ausschließlich in Berlin und Hamburg, wohingegen der „linke-Antifa-Student“ in allen Universitätsstädten anzutreffen ist.

In den letzten 50 Jahren linker Bewegungen in Deutschland hat sich kaum etwas geändert. Vom kiffenden Alt-68er zum kiffenden Antifa-Schreihals? Auch wenn sich ideologisch einiges geändert hat, gib es viele Parallelen. Das Stichwort lautet „Identität“. 2010 schrieb die Pädagogin Saskia Lützinger: „Die Anziehungskraft des linksextremen Milieus resultiert offenbar weniger aus der Attraktivität der Ideologie als vielmehr aus dem Gruppen- und Identifikationsgefühl, das von der linken Subkultur ausgeht“. Diese Strahlkraft wirkt sich auf selbsternannte Wohlstandsrebellen gleichsam wie auf Bildungsversager und arbeitslose Jugendliche aus.

Auch die „Friday for Future“-Bewegung, oder die Personen aus dem „Extinction Rebellion“-Umfeld stellen eher eine Gruppe junger Menschen auf der Suche nach einem Lebensgefühl und Sinnhaftigkeit dar. Überschneidungen gibt es bei diesen Bewegungen – mag Greta Thunberg noch so harmlos aussehen – auch mit der linksextremen Szene. Die versucht mittlerweile die Klimaaktivisten in ihr eigenes, radikaleres Boot zu ziehen und ihnen die Systemfrage schmackhaft zu machen.

Armin Pfahl-Traughber, renommierter Politologe an der Hochschule des Bundes in Brühl, verweist in seiner Veröffentlichung zu Linksextremismus (2014) auf eine ältere Studie: „Angehörige der autonomen Szene sind überwiegend zwischen 18 und 28 Jahren alt; sie sind Schüler, Studenten, Auszubildende oder haben eine gescheiterte Ausbildung hinter sich; viele Autonome sind arbeitslos, jobben gelegentlich oder beziehen Staatsknete. Die Verweildauer innerhalb der Szene beträgt nur wenige Jahre.“

Viel verändert hat sich in den letzten Jahren also nicht. Pfahl-Traughber betont: „Die kurze Verweildauer macht deutlich, dass ein weitaus größere Teil als die jeweils 5000-7000 (offizielle Zahl der zu Gewalt neigenden Autonomen; Anm. d. Red.) Personen die Autonomen im Rahmen ihrer politischen Sozialisation durchlaufen haben.“

Was sich auf den ersten Blick recht gut liest, ist auf den zweiten ein weiteres Kernproblem des bundesdeutschen Linksextremismusproblems. Geht man von einer durchschnittlichen Verweildauer von fünf Jahren in der gewaltbereiten autonomen Szene aus, wechselt auch der Personenkreis alle fünf Jahre. Dementsprechend ist die Zahl der gewaltbereiten Linksextremen, oder zumindest ihrer Sympathisanten, um ein vielfaches höher, als die aktiven Mitglieder der Szene. Durch diese ehemaligen Aktivisten wird zugleich das linksextreme Gedankengut in die Gesellschaft getragen. Sie sitzen heute bei linken Projekten, Stiftungen und Vereinen, eben auch besagter Amadeu-Antonio-Stiftung, wenn man dem Bericht des „revolt magazins“ Glauben schenkt.