Seit Kevin Kühnerts Forderung nach der Enteignung von BMW, reibt sich der bürgerliche Teil Deutschlands verwundert die Augen. Die Sozialisten bejubeln den Vorwurf des Juso-Vorsitzenden. Der marxistische Vorstoß Kühnerts kommt allerdings keineswegs überraschend, zeigt er doch zum einen, die bundesdeutschen Tendenzen bezüglich Linksradikalismus zum anderen die Einstellungen innerhalb der jungen Sozialdemokraten.

Am 10. Januar, fünf Monate vor Kühnerts Vorstoß, schreibt Alice Weidel in der „Jungen Freiheit“ über das „Linksextremismus-Problem der Jusos“. Dabei verweist sie auf ein Zitat der SPD-Parteichefin Andrea Nahles, die 2018 in der Parteizeitung „vorwärts“ meinte: „Im Kampf gegen rechts braucht die SPD auch die Antifa.“ Das findet in der Realität bereits statt. Die Jusos solidarisieren sich offen mit der verfassungsfeindlichen „Roten Hilfe“ und arbeiten in dutzenden Initiativen und Vereinen mit linksradikalen Strukturen zusammen.

Der Hang nach Links hat Methode und ist seit Gründung der JUSOS Teil der politischen DNA. „JUSO“ heißt nicht „Junge Sozialdemokraten“, wie viele Leute vermuten, sondern „Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD“. Man bezieht sich also direkt auf den Sozialismus. Seit den 70er Jahren verstehen sich die JUSOs als „sozialistischer Richtungsverband“, das Logo der JUSOs ist die Faust mit roter Rose, das Symbol der Jugendorganisation der Sozialistischen Internationale. Man kooperierte öffentlich mit der DKP und überlebte den Zusammenbruch des sozialistischen Ostblocks 1990. Der Sozialismus war auf dem absteigenden Ast, Marxismus und Kollektivierung funktionierten nicht, wie die Realität bewiesen hatte. Die JUSOs schmiegen sich an die realpolitischen Forderungen einer bürgerlich gewordenen SPD. Allerdings nicht für lange …

Nachdem Gerhard Schröder mit der rot-grünen Koalition die Hartz-Gesetzgebung durchgebracht hatte, und bei der Parteibasis und der Jugendorganisation als neoliberal und unsozial verschrien wurde, kehrten die Jungsozialisten mehr und mehr zu ihrem Profil vor der Wende zurück. Zwar entstand eine gemäßigte Strömung innerhalb der JUSOs, die sogenannte „Pragmatische Linke“, die sich zu sozialer Marktwirtschaft und Realpolitik bekennt, allerdings ist ihre Rolle von Beginn an marginal. Die „Traditionalisten“ und das „Netzwerk Linkes Zentrum“ – die Hardliner – bestimmen den Kurs innerhalb der Jusos und damit der sozialistische Flügel.

2007 wurde die Hoffnungsträgerin der Jusos, Franziska Drohsel, gewählt. Drohsel ist wieder ganz auf sozialistischem Vor-Wende-Kurs, verbindet aber gleichzeitig die Ablehnung jeglichen Kapitalismus mit ihrer antideutschen Einstellung, die aus linksextremen Lagern stammt und mittlerweile wieder hoffähig wird. Zudem wurde kurz nach ihrer Wahl publik, dass sie Mitglied in der „Roten Hilfe e.V“ ist. Auf Druck der Organisation und Kritik durch die bundesdeutschen Medien trat Drohsel aus der Roten Hilfe aus. Dass mit einem formalen Ende der Mitgliedschaft keine Gesinnungsänderung stattgefunden hat, war zum Zeitpunkt des Vorfalls allen Beteiligten und Kritikern klar. 2010 stellte sie sich nicht mehr zur Wahl, ihr Nachfolger wurde Sascha Vogt. Vogt hielt sich zwar wirtschaftspolitisch deutlich stärker zurück als seine Vorgängerin, trotzdem blieb er der SPD-kritischen Linie der Jungsozialisten treu, forderte eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Wie viel er von Meinungsfreiheit hielt, wurde Jahre nach seinem Vorsitz deutlich: 2015 freute er sich auf Twitter über den Angriff von 1.FC Köln-Fans gegen Bernd Lucke.

Seine Nachfolgerin, Johanna Uekermann, wurde 2013 gewählt und bog nach dem realpolitischen Intermezzo mit Vogt  wieder links ab. Sie kritisierte im Jahr 2017 das Verbot von „indymedia“ – die Seite ist mittlerweile wieder online – indem sie der Nachrichtenagentur AFP sagte: „Es wird die Gefahr von links beschworen und darüber vergessen, wo die eigentliche Gefahr liegt – nämlich rechts“. Dass auf „indymedia“ im Wochentakt Bekennerschreiben zu Straftaten veröffentlicht werden und man regelmäßig zum Kampf gegen „Rechts“, aber auch gegen Polizisten aufruft, scheint für sie dabei nicht von Belang. Die FAZ fasst dazu im August 2017 die typischen Inhalte von „indymedia“ zusammen: „Man verbreite detaillierte Anleitungen zum Bau von Molotowcocktails, riefe zu Anschlägen auf oder diskutiere die gezielte Tötung von ‚Bullen‘, da der Polizist ja ein ‚bezahlter Mörder‘, ‚Henkersknecht‘ und ‚berufsmäßiger Sklave‘ sei.“ Uckermann wurde ihr Nähe zum Linksextremismus allerdings nicht zum Verhängnis. Ganz im Gegenteil: Stattdessen sollte sie, auf Anraten von Martin Schulz, als Bundesgeschäftsführerin der SPD nach Berlin wechseln. Das Angebot lehnte sie ab. Stattdessen ist Uekermann nun gewähltes Mitglied im SPD-Parteivorstand und stellvertretende Vorsitzende der SPD in Bayern.

Als letztes Glied einer langen roten Kette steht nun Kevin Kühnert an der Spitze der Jungsozialisten. Mit seiner Forderung nach der Enteignung von BMW macht er genau zwei Sachen: Zum einen kehrt er zur den sozialistischen Forderungen der JUSOs der 70er und 80er Jahre zurück; aber was noch viel bedeutender ist: er testet die Öffentlichkeit. Wie wird sein Vorstoß aufgefasst? Denn trotz deutlicher Kritik aus dem bürgerlichen Lager ist ein echter Aufschrei ausgeblieben; auch innerhalb der Jusos oder von Seiten der SPD gibt es nur zarte Kritik. Kühnert wird weiter diese Linie fahren und mit jeder neuen, sozialistischen Forderung wird der gesellschaftliche Diskurs Stück für Stück nach links verlagert. Sollte Kühnert mit seinen kollektivistischen Forderungen schließlich doch scheitern, wird er, gleich seinen Vorgängern, in ein warmes und gemachtes Bett der Mutterpartei fallen. Die wiederum bedankt sich, dass sie sich mit realsozialistischen Parolen nicht die Hände schmutzig machen musste.