Nachdem Begriffe wie „Verstaatlichung“ an Attraktivität verloren haben, versucht der linke Flügel mit „Vergesellschaftung“ zu punkten. Wer diese ominöse „Gesellschaft“ als neuer Inhaber eines Unternehmens oder von Häusern sein soll, konnte bereits Kevin Kühnert bei seinem Vorstoß zur Enteignung von BMW nicht sagen genau sagen. Unklar ist auch, inwiefern „vergesellschaftetes“ Eigentum verwaltet werden soll.

Vom rechtlichen Prinzip aus betrachtet sind Vergesellschaftung und Verstaatlichung identisch. Ein Eigentümer – egal ob Unternehmen oder Privatmann – verliert den rechtlichen Anspruch an seinem Gut. Es wird ihm weggenommen. Dass dabei zuerst sogenannte Großunternehmen oder Investoren getroffen werden sollen, wie beispielsweise „Deutsche Wohnen und Co enteignen“, wie „Jusos“, oder sonstige linke Strömungen fordern, ist nicht einmal ein moralisches Argument, da solche Unternehmen zumeist über Immobilienfonds oder Aktien mit Kapital ausgestattet werden, das wiederum vom anlegenden Bürger mitfinanziert wird.

Aber selbst wenn man sich moralisch herausputzt, sind Enteignungen zumeist rechtswidrig, und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Beispielsweise müssen Hauseigentümer weichen, wenn Baugroßprojekte des Staates oder das „Gemeinwohl“ dies erfordert: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.“ (Art 14, Abs. 3 GG)

Der ähnlich klingende Artikel 15 des Grundgesetzes bezieht sich speziell auf die Vergesellschaftung von Gütern:

Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden (Art 15, Abs. 3 GG)

In der Praxis ist dieser Artikel noch nie angewendet worden. Er stammt aus der Gründungsphase der BRD als sich die Väter des Grundgesetzes alle Möglichkeiten offenhalten wollten, je nachdem in welche Richtung sich das Wirtschaftssystem der BRD entwickelte: Kapitalismus oder Sozialismus. Durch den schnellen Erfolg des Kapitalismus verlor man diesen Notschalter aus den Augen und er wurde zu „vertrocknetem Recht“, wie Verfassungsrichter Udo Di Fabio betonte. Dementsprechend bestand 70 Jahre kein Bedarf, den nutzlosen Artikel zu streichen.

Jetzt haben die linken Enteigner allerdings die Büchse der Pandora entdeckt und planen sie zu öffnen. Allen voran die Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen enteignen“, über die wir ausführlich berichteten.

Anfang September bescheinigt erstmals der „Wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses Berlin“ die Rechtmäßigkeit von Enteignungen oder Vergesellschaftungen. Die Fraktion die LINKE hat das Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, die AfD-Fraktion hatte dies im Vorfeld verlangt, um überhaupt die rechtliche Basis zu klären. Das Gutachten ist von Joachim Wieland, Professor für öffentliches Recht an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.

Das Ergebnis des Gutachtens: Das Land Berlin könne auf Basis von Artikel 15 ein Vergesellschaftungsgesetz auf Landesebene erlassen, weil der Bund an dieser Stelle untätig war. Die Firmen müssen allerdings „angemessen entschädigt“ werden, die Höhe muss allerdings nicht dem Marktwert der Immobilie entsprechen. Die Kostenfrage wird höchstwahrscheinlich der Politik überlassen.

Anfang des Jahres kam der renommierte Jurist Helge Sodan zu einem gegensätzlichen Ergebnis. Das Recht auf Eigentum sei in der Berliner Verfassung festgeschrieben, weshalb Enteignungen nicht rechtmäßig seien. Wieland kommt zu gegenteiligem Ergebnis, da die Berliner Verfassung das „Recht auf bezahlbaren Wohnraum“ festlege und dieses Landesgesetz im Zweifelsfall höher zu werten sei.

Abseits der rechtlichen Fragen ist Wielands politische Argumentation allerdings fragwürdig. Für ihn ist das „Recht auf Vergesellschaftungen“ kein Schritt zum Sozialismus, sondern eine „Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft“. Wieland betont: Das Soziale bedeute, dass „der Staat eingreift und Grenzen setzt“. Dass ein Universitätsprofessor offensichtlich keine Ahnung hat, was die „soziale Marktwirtschaft“ überhaupt bedeutet, ist in diesem Zusammenhang erschreckend. „Je freier die Wirtschaft, umso sozialer ist sie auch“, legte der Vater der sozialen Marktwirtschaft und des Wirtschaftswunders, Ludwig Ehrhard, unmissverständlich fest. So dachten in den 50er und 60er die meisten Politiker und Ökonomen. Durch einen freien Markt wird so viel Wohlstand erwirtschaftet, dass man sozial handeln kann. Die Verschiebung dieser Deutung zur Mischform aus „Markt“ und „Staat“ ist eine Umdeutung des sozialistischen Zeitgeistes der letzten Jahrzehnte, die auch vor angeblich neutralen Juristen nicht haltgemacht hat.

Joachim Wieland ist bereits häufig mit fraglichen Meinungen und Analysen aufgetreten, die eher zu einem linken Politiker, als zu einem Lehrstuhlinhaber passen. Am 26.08 schreibt er im Handelsblatt, dass die „Vermögenssteuer ein Gebot der Gerechtigkeit“ sei. Im Mai 2018 schreibt er über den „untauglichen Versuch der AfD die Bundeskanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik zu verklagen“ und behauptet, die AfD wolle nur mediale Aufmerksamkeit. Über die Rechtmäßigkeit des Handelns der Bundeskanzlerin verliert er kein Wort.

Aber zurück zur Berliner Enteignungsfrage. Ein Problem steht dem Land Berlin und den linken Forderungen noch entgegen: Das Land ist pleite und darf aufgrund der Schuldenbremse keine neuen Kredite aufnehmen. Doch die Politik hat schon einen Plan, wie sie ihren eigenen Regularien ausweichen kann: Sie gründet eine Gesellschaft öffentlichen Rechts, die neue Schulden machen darf und dementsprechend liquide genug sein könnte, Immobilienunternehmen nach der Enteignung zu entschädigen. Was moralisch und wohl auch juristisch mehr als fragwürdig erscheint, ist für Wieland kein Problem. Sein Gutachten schließt ab:

„Die sogenannte Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG steht dem Sozialisierungsgesetz nicht entgegen, weil die im Volksbegehren vorgesehene Anstalt des öffentlichen Rechts als selbstständige juristische Person errichtet werden kann, die im Gegensatz zu Bund und Ländern nicht durch die Schuldenbremse gebunden ist, wenn sie Kredite für die Entschädigung unterhalb des Verkehrswerts aufnimmt, auch wenn das Land Berlin Gewährträger der Anstalt ist und für deren Schulden haftet.“

Im Klartext: Das Land umschifft die Schuldenbremse mit der Gründung einer „Anstalt des öffentlichen Rechts“, muss im Falle des wirtschaftlichen Schiffbruchs dennoch für die Schulden haften.

Zwar ist die Einschätzung Wielands lediglich ein Gutachten und keine rechtskräftige Entscheidung, allerdings widerspricht sie dem ersten Gutachten durch Helge Sodan und öffnet völlig neue Wege. Welcher juristischen Argumentation die Berliner Politik im Zweifelsfall folgen wird, sollte jedem klar sein. Der Weg ist frei – zumindest rechtlich – um endlich zurück zum Sozialismus zu kommen.