Der deutsche Moderator Joko Winterscheidt hat sich mit der Fridays-for-Future-Bewegung solidarisiert. „Warum geht nur ihr auf die Straße? Warum sind es nicht die Leute, die am Freitag in einem Büro sitzen“, fragte Winterscheidt auf einem Kongress der jugendlichen Klimabewegung. Auf dem ersten Fridays-for-Future-Kongress nahmen bis zu 1500 junge Leute teil. Winterscheidt diskutierte, ließ sich mit den „Rebellen“ ablichten und redete ihnen Mut zu: „Ihr macht alles richtig!“.
Winterscheidt, der vor einem Jahr mit einem eigenen Magazin „JWD“ startete, in dem es nur um seine eigene Person geht, scheint das jugendliche Auftreten für sich entdeckt zu haben. Ob dabei „Jokos“ Formate nur geschäftliches Kalkül sind, bleibt offen. Die „ZEIT“ schrieb 2018 in einer Rezension über sein neues Magazin: „Er ist, auf durchaus nicht ganz unsympathische Weise, für immer zwölf.“
Das kommt demnach auch bei den jungen Rebellen gut an. Winterscheidt forderte am Freitag: „Warum legt man nicht einfach mal – steile These – dieses Land lahm an einem Freitag?“ Dazu brauche man aber auch die Berufstätigen. Der Wunsch, die Klimaproteste auf die Elterngeneration auszuweiten, existiert schon länger. Unter dem Namen „Parents-for-Future“ solidarisierten sich die ökologiebewussten Eltern mit ihren demonstrierenden Kindern. Die „Parents-for-Future“ organisieren sich derzeit in dutzenden Ortsgruppen.
Ob allerdings aus den Eltern ein schlagkräftiger Flügel entsteht, der ihre Kinder unterstützen kann, bleibt zu bezweifeln, müssen sie doch einer Arbeit nachgehen, um den Lebensstil ihrer Familien im ökologiebewussten Mittelstandsmilieu zu halten. Daran wird vermutlich auch der von „Joko“ geforderte Generalstreik scheitern. Der Aufruf, dass auch Erwachsene ihre Arbeit niederlegen und an Freitagen mitdemonstrieren, scheiterte bisher am ausgeprägten Arbeitsbedürfnis der Berufstätigen, sowie der Notwendigkeit Geld zu verdienen.
Mehr Zeit hingegen könnten die „Grandparents-for-Future“ haben. In einer WhatsApp-Gruppe tauschen sich überregional die Großeltern der Klimaaktivisten aus.
Die Forderung nach einem Generalstreik von Winterscheidt ist allerdings keine neue Idee. Die meisten Medien, von der WELT bis zur taz, vergessen geflissentlich, dass Greta Thunberg bereits am 27. Juli zum Generalstreik aufgerufen hatte und Schweden lahmlegen wollte. Thunberg erklärte: „Schule und Beruf machen zusammen die Basis der Gesellschaft aus und wenn beide streiken, dann hält die Gesellschaft inne. Die Jugend hat bereits nach Veränderung gefragt, nun verlangt die Klimakrise, dass die Erwachsenen dasselbe tun.“
Die ersten Forderungen nach einem deutschen Streik, um das Klima zu retten, folgten kurz nach Gretas Aufruf. Am 20. September – so die Aktivisten – wolle man gemeinsam mit allen Generationen Deutschland zum Stillstand bringen. Anscheinend hat die Bewegung nur auf einen prominenten Fürsprecher gewartet, der die gleiche Forderung neu verpackt und ein Mediengewitter verursacht. Am Donnerstag berichtete jede größere deutsche Zeitschrift über Winterscheids „drastisches“ Anliegen.
Die Mobilisierung der Arbeiterschaft ist das typische Kernproblem linker Machtpolitik. Nur selten gelingen Aufrufe zu flächendeckenden Streiks. Zu Beginn der Weimarer Republik kam es zu zahlreichen Generalstreiks, die sich für eine Anerkennung der sozialistischen Räterepublik einsetzten. Ein Jahr später, im März 1920, verhinderte ein Generalstreik den Kapp-Putsch. Auch in der westdeutschen Bizone, im Jahr 1948, legten fast 10 Millionen Angestellte die Arbeit nieder, um gegen steigende Preise zu protestieren.
Wird der Klimaprotest jetzt zu einem sozialistische Machtinstrument? Bereits mehrfach kam die Vermutung auf, dass Linksextreme die „Fridays-for-Future“-Bewegung unterwandern, um den Schulkindern die Systemfrage schmackhaft zu machen. Die Bonner Jugendbewegung beispielsweise fordert genau dies selbstbewusst.
Kürzlich trat sogar Greta Thunberg mit einem „Antifascist Allstar“ T-Shirt auf und sammelte Geld für die radikalere Ablegerorganisation „Extinction Rebellion“. Ein immer stärker werdender Flügel der „Extinction Rebellion“-Bewegung fordert ebenfalls, „die Systemfrage“ zu stellen, auch wenn der Großteil der Jugendlichen sich nicht mit linksradikalen Forderungen identifiziert. Noch nicht. Eine Seite der Antifa forderte bereits: „Auch wenn sowohl Extinction Rebellion als auch Fridays For Future selbst keinen antikapitalistischen Anspruch haben, bieten sie eine gute Möglichkeit, um selbst eine linksradikale Position in die Öffentlichkeit zu tragen – für alle von uns.“ Dabei hilft jetzt auch Joko Winterscheidt.