Sozialisten aller Länder, verabschiedet euch (Teil 2)
Im ersten Teil dieser Reihe waren wir in Litauen unterwegs. Die Litauer haben konsequent gegen linke Parteien gestimmt, mittlerweile regiert die föderale Bauernpartei und ihre Mehrheitsbeschafferin, die schwächelnde Sozialdemokratische Partei.
In Indien fand der Wechsel von links nach rechts noch radikaler statt. Die sozialliberale Kongresspartei INC hatte in einer Union lange Jahre das Schicksal Indiens bestimmt, seit 2009 leiteten die Linken durchgehend die Geschicke des Landes. Das explosive Wachstum Indiens nahm immer mehr ab, gleichzeitig blieben notwendige Staatsinvestitionen, wie in Infrastruktur und Bildung, aus. Stattdessen wurde die Bürokratie weiter ausgebaut, gleichzeitig stieg die Inflationsrate auf fast zehn Prozent an. Linke Symptome, wie sie überall auf der Welt auftreten.
Den Indern platzte der Kragen: 66 Prozent der Wahlberechtigten schritten 2014 zur Tat – eines der besten Ergebnisse der Vergangenheit – und straften die linke Regierung ab. Die regierende sozialliberale Kongresspartei verlor 9,3 Prozent der Stimmen und fiel auf lediglich 19,3 Prozentpunkte. Die linke Bahujan Samaj Party (BSP) fiel von vormals über 6 Prozent auf 4,1 Prozent der Stimmen, die kommunistischen Marxisten Indiens, die CPI, fiel von mehr als 5 Prozent auf 3,2 Prozent.
Insgesamt verloren die linken Parteien damit 13 Prozent der Wähler, die sich eine neue Wahlheimat gesucht hatten: Die rechtskonservative Bharatiya Janata Party (BJP). Die BJP vertritt einen indischen Nationalismus, unterstützt und fördert die hinduistische Kultur und grenzt sich von westlichen Werten und Strömungen ab. Dabei richtet sich die BJP allerdings nicht gegen ethnische oder religiöse „Minderheiten“, wie in der deutschen Presse häufig zu lesen ist. Für die BJP sind die indischen Sikhs und Buddhisten Teil der indisch geprägten Kultur. Dem Islam und dem Christentum steht die konservative BJP allerdings kritisch gegenüber, beide gelten als von außen eingedrungene Kulturen. Der Partei geht es aber eher darum, das positive Bild einer indischen Leitkultur zu fördern, als gegen Muslime – die im Nordwesten des Landes sogar Mehrheiten stellen – zu hetzen.
Der Weg der BJP war steinig. Als die Partei in den 90ern immer stärker wurde und als erste Partei ein selbstbewusstes Bekenntnis zur indischen Kultur forderte, kämpften die etablierten Parteien gegen die „Emporkömmlinge“. Blaupausen, die man aus Deutschland und Europa nur zu gut kennt. Als 1996 die BJP erstmals stärkste Kraft wurde, blockierte das Establishment die Zusammenarbeit. Man wollte die eigenen Pfründe sichern und nicht mit den Nestbeschmutzern kooperieren. Gleichzeitig waren die etablierten Parteien dynastisch aufgestellt; ein großer Teil des Personals war mit der mächtigen Ghandi-Familie verwandt oder verschwägert. Die wiederum bestimmte seit Jahrzehnten das politische Geschehen des Landes, verschacherte Posten und ließ mafiöse Strukturen die Verwaltung durchziehen.
Die BJP brachte frischen Wind in die indische Demokratie und kämpft bis heute gegen die Einflussnahmen des korrupten Familienclans. Sie selbst achtet strikt darauf, Vetternwirtschaft und Klüngeln keine Chance zu geben und die fähigsten Politiker nach vorne zu bringen. Das gelang. 2014 war der lange Weg an die Spitze abgeschlossen. Die BJP sammelte die enttäuschten Wähler ein und erreichte über Nacht 31 Prozent der gesamten Stimmen. Die „Modi-Wave“ (Modi-Welle), benannt nach dem Spitzenkandidaten Narendra Modi, brach über Indien herein. Im Vorfeld wurde zwar mit einem guten Wahlergebnis gerechnet, der noch nie dagewesene Erdrutschsieg überraschte aber Freund wie Feind. Da in Indien viele Regional- und Splitterparteien antreten, reichten 31 Prozent der Stimmen, um in der Lok Sabha, dem indischen Parlament, die absolute Mehrheit zu stellen. Mit 282 Abgeordneten (ca. 51 Prozent) ist die BJP auf keine Kompromisse angewiesen und kann ihre patriotische und konservative Politik durchsetzen.
Aber bestand nicht die Gefahr, dass die neue Partei alte Fehler beging und den Staatsapparat aufblähte? Nicht im Falle der BJP. Man liberalisierte die Wirtschaft und stutzte den ausufernden Staatsapparat zurück. In den letzten fünf Jahren unter Narendra Modis Regierung erholte sich die indische Wirtschaft und konnte zum ersten Mal seit langer Zeit an die alten Wachstumsraten anknüpfen und zu den Chinesen aufschließen, die in den späten 90ern und 2000ern Indien überholt hatten. Indien boomt wieder, die Wirtschaft brummt.
Auch bei der Armutsquote – also der Zahl der Menschen, die mit weniger als 1,90 Dollar pro Tag leben müssen – hat sich einiges getan. 2010, so die Zahlen des „World Factbooks“, befanden sich fast 29,8 Prozent der Inder in absoluter Armut. 2018 wurden nur noch 22 Prozent der Inder als arm klassifiziert. Bei den Verbesserungen in Indien handelte es sich aber nicht um „künstliches Wachstum“ – also die Ausweitung der Geldmenge durch die Druckerpresse – sondern um nachhaltiges und stabiles Wachstum. Denn zeitgleich sank die Inflationsrate innerhalb eines Jahres (2016/2017) von 4,5 auf 3,6 Prozent. Gleichzeitig, so kritisieren Teile des Westens, herrscht in Indien noch immer eine hohe soziale Ungleichheit vor. Dass man gerade in Entwicklungsländern aber eine ausgeprägte „Schere zwischen arm und reich“ benötigt, um Armut zu bekämpfen, ist selbst bei manchen Ökonomen noch nicht durchgedrungen. Den Bürgern ist die wirtschaftliche „Spaltung“ des Landes allerdings herzlich egal, ihnen geht es besser denn je und sie wissen, wem sie diese Entwicklung von einer korrupten Linkspolitik hin zu Freiheit und Wohlstand zu verdanken haben. Im Mai 2019 fanden erneut Wahlen statt…

Indien ist Orange: Wahlergebnis vom Mai 2019
….und wieder wurde ein Rekord an der Wahlurne gebrochen: Fast 68 Prozent der wahlberechtigten Inder gaben ihre Stimme ab. Das Ergebnis war mehr als eindeutig. Nach 5 Jahren BJP bestätigten die Inder Modi und seine Partei im Amt. Die nationalkonservative Partei hat 55 Prozent der Parlamentssitze für sich gewonnen, landesweite Prozentzahlen stehen auch vier Monate nach der Wahl noch nicht fest. Wie ist die Reaktion Europas auf das unglaubliche Wahlergebnis? Die ZEIT schreibt: „Modis populistische Politik spaltet das Land.“