Seit einem Jahr existieren die „Gilets Jaunes“, die Gelbwesten, in Frankreich und protestieren gegen die etablierte Politik. Nachdem der Protest ursprünglich von Autofahrern und Landwirten ausgegangen war, die vom französischen Staat immer mehr zur Kasse gebeten wurden, hat sich der Protest innerhalb des letzten Jahres verbreitert. Die Gelbwesten sind politisch kaum greifbar, der Zorn auf Macron, Brüssel, die Eliten und politische Repressionen vereinigen liberale Unternehmer, rechte Migrationsgegner, linksradikale Jugendliche und Sozialisten, sogar ein migrantischer Flügel tritt gelegentlich bei den Aufständen auf, und protestiert gegen Abschiebung und strengere Einwanderungsgesetze. Alle Strömungen richten sich gegen Staatspräsidenten Emmanuel Macron.
Auf der Internetseite „No Copyright“, mit eindeutig linksradikaler Ausrichtung, beschreibt man die Probleme, die Sozialisten mit der Bewegung der Gelbwesten haben: „Schon viele Male wurden die Gilets Jaunes tot gesagt. Von den Medien, der Regierung, den Linken. Und unter uns, viele Linke sehnen nichts sehnlicher herbei als das Ende der Gelben Westen. Zu schwer zu greifen, zu schwer zu kategorisieren, zu diffus, zu widersprüchlich, aber vor allem sich jeglichem Versuch entziehend, kontrolliert und manipuliert zu werden. Auch von der traditionellen Linken.“ Trotzdem seien die Gelbwesten noch immer präsent, aktuell käme wieder mehr Leben in die Bewegung, die in den letzten Monaten eingeschlafen war. Und wieder scheint ein Motiv der Linksradikalen durch: Die Übernahme sozialer Proteste.
Die französische Gruppe „ACTA: Partisanes dans la Metropole“ (Partisanen der Stadt) wittern erneut die Chance, die Gelbwestenbewegung in ihr eigenes Lager zu ziehen. Sie selbst bezeichnen sich als die wahren Gelbwesten und haben angedroht, am Wochenende die Demonstrationen eskalieren zu lassen, die Proteste zu massiven Ausschreitungen zu führen und die „Nacht der Barrikaden“ angekündigt. „Nein, die perfekten Bedingungen werden nie erfüllt. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, und es liegt an uns, den Ernstfall zu provozieren. Alle Komponenten für eine explosive neue soziale Jahreszeit sind vorhanden. Wir Gelben Westen müssen nur der Auslöser des Zorns sein. Wir sind die Vorhut, die anderen werden sich nach uns in die Bresche stürzen.“ Die Gruppe zählt zu den typischen antiimperialistischen Strömungen der europäischen Linken, die sich gegen die USA, Israel und den Kapitalismus wenden, sie vertreten zugleich allerdings ökologische Mainstreampositionen. Derzeit ist nicht bekannt, wie groß das Personenpotenzial der Gruppe ist, in den deutschen Medien wurde über die „Partisanen“ bislang noch nicht berichtet.
Geplant, so das Manifest der autonomen Linken, seien neben einer Lahmlegung Paris brennende Barrikaden und Reifen, sowie Angriffe auf strategisch wichtige Punkte: „Und um 22 oder 23 Uhr werden wir massenhaft an Orten auftauchen, wo man uns nicht erwartet. Die Losungen werden von selbst zirkulieren, es wird ausreichen, ihnen zu folgen. Wir können Polizeistationen – oder Kasernen, wie die in der ‘la rue de l’Évangile’ im 18. Bezirk angreifen, wo man unsere Gefährten gefangen hält.“
Anhand des Stils erkennt man die linksradikale Handschrift der angeblichen „Gelbwesten“. Auch innerhalb der deutschen Linksextremen wird eine ähnliche Sprache verwendet: Gefährten in Gefängnissen, kindische und selbstüberschätzende Wortwahl, die die eigenen Aktionen dramatisieren, sowie Referenzen zum Barrikadenkampf von 1968 in Frankreich und den Massenprotesten in Hong Kong. Außerdem wollen sie einen „Schluck auf die Revolution trinken“, so die „Partisanen“.
Die originale Bewegung der Gillets Jaunes ist seit dem Frühjahr nach und nach schwächer geworden, auch wenn Anfang September ein kurzes Aufleben der Demonstrationen festgestellt wurde.
Allerdings haben in den letzten Monaten mehr und mehr Provokateure und Linksextremisten die Rolle der redlichen Demonstranten übernommen, die Bewegung verunglimpft und vor allem für eines gesorgt: Die Stärkung der Positionen Emanuel Macrons durch ihr kriminelles Verhalten und die Diskreditierung der Forderungen der Demonstranten. Ob der Protest sich auf seine Wurzeln besinnen wird oder vom „Schwarzen Block“ oder anderen extremistischen Gruppen vollends unterwandert wird, wird sich auch am kommenden Samstag zeigen, wenn sich Paris wieder fragen muss: Friedliche Proteste oder linksextreme Krawalle? Egal, wie das Zahlenverhältnis aussieht, lediglich die Bilder der Gewalt und der Eskalation werden es in die Medien schaffen.