Innerhalb der saarländischen Linken kriselt es gewaltig. Vergangene Woche fand der Landesparteitag in Wiebelskirchen statt. Der frischgewählte Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze soll von nun an die Wogen zwischen den verfeindeten Strömungen glätten. Doch noch vor seiner Wahl mit 95 Ja-Stimmen der 138 Stimmberechtigten eskalierten die Grabenkämpfe der Saarlinken weiter.
Der scheidende Vorstand um die Interimsvorsitzenden Andreas Neumann und Barbara Spaniol wurde während der Sitzung angefeindet, zudem konnte kein Kassenprüfbericht vorgelegt werden. Der Vorstand wurde nicht entlastet. Delegierte der LINKEN zweifelten daran, dass die Wahlkabinen eine geheime Wahl gewährleisten könnten.
Noch während der Kandidatenvorstellung unterbrachen Vertreter der Parteijugend die Veranstaltung und posierten mit einer Israelflagge in der Mitte des Saales. Der Zeitpunkt der Demonstration war bewusst gewählt, die Aktion richtete sich gegen das neugewählte Vorstandsmitglied Mekan Kolasinac. Kolasinac hatte im Oktober 2017 den Bundesvorsitzenden der Linkspartei als „falschen hinterlistigen Juden“ bezeichnete, sich im Nachhinein allerdings korrigierte und behauptete, er habe „Judas“ schreiben wollen. „Auch seine im Nachhinein geäußerte Darstellung, er habe „Judas“ statt „Jude“ schreiben wollen, ändert unserer Auffassung nach am antisemitischen Charakter seiner Beleidigung nichts“, so die Linksjugend Saar in einer Stellungnahme.
Kolasinac arbeite noch immer beim frischgewählten Thomas Lutze, was für die Linksjugend nicht tragbar sei. Lutze selbst kritisierte die Aktion als „Missbrauch der Flagge Israels“, wohingegen die Linksjugend betont, dass „das Zeigen der Flagge des Staates Israel für uns ein Ausdruck der Solidarität mit allen von Antisemitismus betroffenen und bedrohten Personen ist“.
Vertreter der Linksjugend bedankten sich nach Martina Renners Rede im Bundestag ebenfalls bei der Antifa. Die ideologischen Konflikte verlaufen aber auch im außerparlamentarischen Milieu. Insbesondere im Osten der Republik streiten sich die beiden linken Hauptströmungen um die Deutungshoheit des „Antifaschismus“. Regelmäßig kommt es zu Auseinandersetzungen, auch gewaltsamer Art. Bei einem Vortrag „Der Iran im Fadenkreuz westlicher Interessen“ wurde die Veranstaltung von einer antideutschen Gruppen gestürmt.
Für die Antideutschen steht das „Denken und Handeln, dass Auschwitz sich nicht wiederhole“, und „uneingeschränkte Solidarität mit Israel“ im Vordergrund, wohingegen die „Antiimperialisten“ sich der Beseitigung des Kapitalismus und des Imperialismus – gerade US-amerikanischer und dadurch indirekt israelischer Interessen – auf die Fahne geschrieben haben. Derartige öffentliche Auseinandersetzungen waren bislang aber noch auf die linke Szenesubkultur beschränkt.
Bisher hat es die Linkspartei geschafft, ihre internen Grabenkämpfe nicht an die große Glocke zu hängen. Selbst die Auseinandersetzung zwischen dem „Kipping-Flügel“ und dem „Wagenknecht-Flügel“, bei dem es um die Zukunft der Linkspartei ging, wurde medial kaum ausgeschlachtet. Die Parteiführung schaffte es den Ball flach zu halten, nur wenige Informationen drangen nach draußen. Wagenknecht zog sich schließlich „aus gesundheitlichen Gründen“ von der Spitze zurück.
Auch im Saarland ist man unentschlossen: Nach der Störaktion fand die geplante Abstimmung über Kolasinac zum Beisitzer statt. Er wurde von 45 der lediglich 96 anwesenden Delegierten gewählt, die anderen 40 Stimmberechtigten hatten den Parteitag bereits verlassen.
Da die Wahlerfolge der Linken seit einigen Jahren rückläufig sind, stellt sich immer drängender die Frage nach dem neuen Kurs: Es beginnen Intrigen und Spaltungsversuche. Nicht nur an der Frage nach einer „offenen Grenze“ entzweien sich die Geister, sondern auch am Verhältnis zu „Antideutschen“ und „Antiimperialisten“ könnte sich ein Konflikt entwickeln, sollte die Parteiführung es nicht schaffen, die linksradikalen Extreme von beiden Seiten einzuhegen.
Viele Anhänger der Linkspartei – gerade in den älteren Semestern – haben bezüglich der ideologischen Auseinandersetzungen gar keine kohärente Position. Viel mehr vertritt die Basis der Linken Forderungen des sozialen Ausgleichs, der Vergesellschaftung sowie der Steuererhöhung gegenüber Reichen und Unternehmern.
Bei der Landtagswahl im Jahr 2009 erzielte die Linkspartei unter Spitzenkandidat Oscar Lafontaine noch ein Ergebnis von über 21 Prozentpunkten. Seitdem befinden sich die Linken im freien Fall. 2017 fiel die Nachfolgepartei der SED auf lediglich 12,8 Prozent. Sollten die jetzigen Schlammschlachten weiter andauern und Bündnis 90/Grünen auch im Saarland erfolgreich antreten, werden sich die LINKEN im kleinsten Flächenland Deutschlands die Frage gefallen müssen, warum man sie noch wählen sollte. Welche Politik verkörpern die Sozialisten? Das traditionelle Arbeitermilieu hat weder Interesse an antideutschen oder antiimperialistischen Auseinandersetzungen, noch an offenen Grenzen und Genderunfug.