Durch die jährlichen Mai-Unruhen der linken Szene in Berlin ging eine Meldung fast vollkommen unter. In Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf wurde ein leerstehendes Gebäude von einer Gruppe junger Aktivisten besetzt. Am Branitzer Platz 3 drangen am 30. April gegen neun Uhr morgens Personen ein, die sich demonstrativ mit einem selbstgemalten Plakat ablichten ließen.

Sofort wurde die linke Szene hellwach und zeigte Solidarität mit ihren Gesinnungsgenossen. Unter dem Hashtag brani03 versuchte man über die sozialen Medien Unterstützung zu gewinnen. Doch schnell war die Aktion beendet. Die Polizei rückte an und nur fünf Stunden nach Einbruch in das Gebäude wurde die Besetzung von der Polizei beendet. Elf Personen wurden aus dem Haus geführt.

Die Jugendlichen mussten ihre Personalien angeben und wurden wegen Hausfriedensbruch angezeigt. Alle Solidarität half nichts und auch das ambitionierte Plakat mit dem Spruch „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, wirkt im Rückblick besonders peinlich.

Damit wollen die Aktivisten auf die anstehende Räumung des Jugendzentrums „Potse“ und „Drugstore“ aufmerksam machen. Der Mietvertrag war 2018 ausgelaufen, man wollte keine Punkkonzerte mehr dulden. Den Jugendlichen mietete man ein neues Jugendzentrum in der gleichen Straße an. Die Bedingung: Nur ruhige Aktivitäten.

Typisch linkes Verhalten

Das sahen die Autonomen nicht so. Seitdem sind die Jugendzentren rechtswidrig besetzt. „Sie bestehen nicht auf die bisherigen Räumlichkeiten, wenn sich geeignete Ersatzräume finden“, gab ihr Anwalt im Juli 2019 bekannt. Die haben sich noch nicht gefunden, das Potse bleibt weiterhin besetzt.

Demnächst könnte die Räumung anstehen. „Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als in leerstehende Häuser einzuziehen, wenn die Politik uns Jugendlichen keine andere Möglichkeit gibt, effektiv für selbstverwaltete Räume zu kämpfen“, meint ein Sprecher gegenüber dem sozialistischen Blatt Neues Deutschland.

Unter dem Slogan „Unsere Träume brauchen Räume“ sind linke Jugendliche in das Gebäude eingedrungen. Hier zu hören: Der kräftige Mezzosopran eines Aktivisten.

Die Hausbesetzerszene in Berlin ist im Schrumpfen begriffen. Immer mehr okkupierte Häuser wurden in den letzten zehn Jahren geräumt. Berlin ist im Wandel. Dementsprechend reagiert die linksradikale Szene in Berlin aktuell gereizt. Trotzdem ist das „revolutionäre Potenzial“ der Linksradikalen Vergangenheit. Hartgesottene Sozialisten der 90er Jahre existieren kaum mehr. Stattdessen wird die linke Szene auch immer mehr zum Spiel und Tummelplatz des eher wohlhabenden Bürgertums, deren Kinder in der linken Szene ihren rebellischen Drang befriedigen.

Debattiert wird nicht mehr über das „Kapital“, sondern über die angebliche patriarchaische Unterdrückung der 70 Geschlechter. Die linke Szene ist zu einer Karikatur ihrer selbst verkommen. Das sieht man auch an den gelegentlich stattfindenden Kurzbesetzungen. Selbstprofilierung und mediale Aufmerksamkeit sind an die vordere Stelle getreten, tatsächlicher Kampf gegen das System wird immer weiter in den Hintergrund gerückt. Zum Glück, auch wenn Berlin noch immer enorme Probleme mit „seinen“ linken Kindern hat.