Die „taz“ bekommt eine neue Doppelspitze. Ab 1. August wird die linke „tageszeitung“ von zwei Frauen geführt. Ulrike Winkelmann und Barbara Junge heißen die beiden Damen, die von der „taz“-Genossenschaft, also den Eigentümern des Verlags, an die Spitze berufen wurden. Junge arbeitete bereits seit 2016 als stellvertretende Chefredakteurin, Winkelmann wechselt vom Deutschlandfunk zur „taz“ und ersetzt den ehemaligen Chefredakteur Georg Löwisch.
Damit ist die „taz“ eine der wenigen überregionalen Zeitungen, die Frauen an der Spitze eines meist von Männern dominierten Berufsfeldes haben. In diesem Sinne bleibt die „taz“ zumindest authentisch, was ihre eigenen Forderungen anbelangt. Auch Journalismus brauche eine Quote, wie die taz-Redakteurin Erica Zingher vergangenen November forderte.
Als Vorhut linken Journalismus‘ darf es dabei nicht bleiben: „Und dann noch eine [Quote] darüber hinaus. Für Menschen mit Migrationsbiografien, für nichtweiße Journalist*innen.“ An den ideologischen Forderungen ihrer Redakteurin Zingher scheiterte dann aber die Genossenschaft: Zwei weiße Frauen an der Spitze.
Kartoffeln, schafft euch ab!
Die „taz“, die mitunter auch linksradikale Positionen vertritt, wie die der Autorin Hengameh Yaghoobifarah, die sich als „nichtbinär“ betrachtet und vergangenes Jahr in ihrem antideutschen Jargon „Deutsche, schafft euch ab“, forderte, ist mit den „etablierten“ Medien hervorragend vernetzt. Das liegt nicht nur am durchaus qualitativen Journalismus der „taz“, sondern vor allem am medialen Linksruck des Hauptstroms. Wo vor zehn oder fünfzehn Jahren die „taz“ noch eine außenstehende Rolle eingenommen hat, sind mittlerweile ZEIT, Süddeutsche und auch die öffentlich-rechtlichen Medien weit nach links gerückt und auf Tuchfühlung mit dem rebellischen Medium gegangen.
Deutlich wird dies vor allem an den personellen Überschneidungen zwischen der „taz“ und den Kollegen, die im weitesten Sinne als politischer Mainstream gefasst werden können. Die „taz“ sei ein „Durchlauferhitzer“ und eine „Talentschmiede“ für junge Autoren“ schrieb unter anderem die Zeitschrift die „WELT“ im Jahr 1999. Lang, lang ist’s her. Mittlerweile profitiert selbst die einst konservative „WELT“ von ihren Vernetzungen zur linken „taz“.
Einige Wechsel und Vernetzungen im Überblick:
- Ulrike Winkelmann begann bei der „taz“, wechselte nach Jahren zum Deutschlandfunk und geht jetzt wieder zur „taz“.
- Georg Löwisch geht zur „ZEIT“. Vor seinem Wechsel zur „taz“ war Löwisch Textchefs des eigentlich konservativen Magazins „Cicero“
- Redakteurin Anett Selle arbeitet(e) für die „WELT“ in Berlin sowie den WDR und das ZDF
- Bernhard Pötter schreibt neben der „taz“ auch für die „NZZ“, „GEO“ und die „ZEIT“.
- Die Leiterin für „Digitales“, Katrin Gottschalk, schreibt für SPIEGEL Online, die Frankfurter Rundschau und Deutschland Radio Wissen
- Jan Feddersen, Redakteur und taz-Urgestein, arbeitet nach eigenen Angaben auch für den NDR
- Ute Zauft, jetzt Online-Leiterin bei der taz, war zuvor Redakteurin vom Dienst in der Onlineredaktion vom Sender RBB (Radio Berlin Brandenburg)
- Barbara Mika war von 1998 bis 2009 Chefredakteurin bei der „taz“ und wechselte anschließend auf den Chefredakteursposten der Frankfurter Rundschau, den sie zwölf Jahre bis 2020 bekleidete.
- Ines Pohl war sechs Jahre Chefredakteurin der „taz“ und wechselte anschließend zur staatlichen „Deutschen Welle“
- Nadine Torneri wechselte im Februar 2020 von der „FAZ“ zur „taz“
Was spricht gegen solche Wechsel? Aus persönlicher Sicht relativ wenig, da die Autoren und Redakteure einfach einen neuen Job angenommen haben. Inhaltlich sind diese Verschiebungen allerdings bezeichnend für das mediale Klima in der Bundesrepublik. Die „taz“ ist Dreh- und Angelpunkt linksgeprägter Autoren geworden und steht damit zwischen linksradikalem Positionen und der etablierten Presse. Autoren schreiben für eine Zeitschrift, in der Gendersternchen, Transbefindlichkeiten und Enteignungsfantasien vertreten werden und offen gehetzt wird: „In ihren liebsten griechischen Restaurants oder Döner-Buden modifizieren die Köch_innen ihre originalen Gewürzpaletten auf die deutschen Geschmäcker hin, damit es den Kartoffeln schmeckt.“ Dutzende Autoren dieses Mediums schreiben wiederum für die Öffentlich-Rechtlichen und seriösere Medien.
Realität, Ideologie und das Geld der Anderen
Alle Beteiligten erschaffen sich zwei Welten, die friedlich koexistieren können. Die idealistischen Linken tolerieren den gemäßigten Linkskurs der Mainstreampresse und verdienen doppelt, oder besser. Die Mainstreampresse wiederum toleriert die linksradikalen Ausfälle und zieht sich die größten Talente in ihr eigenes Boot. Dass in dieser medialen „Zwei-Welten-Theorie“ die „taz“ eine Vorreiterrolle einnimmt, zeigte auch ein kleiner Skandal im Jahr 2013.
Seit Jahrzehnten fordern die Autoren der „taz“ eine Einführung des Mindestlohns – oder eine stärkere Erhöhung seit der Einführung im Jahr 2015. Bereits vier Jahre zuvor, also 2011, schrieb die „taz“ als linksprogressives Leitmedium den „Mindestlohn für alle Branchen“ herbei.
Allerdings schienen die Vorstellungen der schreibenden Zunft nicht zu denen des eigenen Verlages zu passen. Im Herbst 2013 veröffentlichte die Geschäftsführung eine Stellenausschreibung über ein Volontariat. Gehalt? 903,15 Euro brutto, was einem Stundenlohn von gut fünf Euro entspricht. Die taz wurde scharf kritisiert, der Verlag rechtfertigte sich: Ein höherer Lohn sei unternehmerisch „nicht machbar“. Macht nichts, schließlich winkt nach einigen Jahren die Karriere bei ZEIT, NDR und co.