Kommentar eines Gastautors
„Gelebte Demokratie“. Das ist ein Begriff, mit dem jeder etwas anfangen kann. In Zeiten, in denen der Wettlauf zum demokratischsten Auftreten der Bundesrepublik mit Fördermitteln, Wählerstimmen und Berichterstattung belohnt wird und die politische Gegnerschaft, die um Wählerstimmen kämpft, als undemokratisch bezeichnet wird, benutzen immer mehr Menschen das Wort der „gelebten Demokratie“.
Die wunderschöne Neuschöpfung entspringt einer Zeit, in der sie der „Politikverdrossenheit“ diametral gegenüber gesetzt wird. „Gelebte Demokratie“, das ist das samstägliche Treffen auf der Kiezveranstaltung, es gibt leckere Kuchen und man diskutiert über Vielfalt, das ist „Omas gegen Rechts“, das ist Robert Habeck, der sich légere kleidet und sich als Volkskanzler gebärdet. All die hunderte, tausende Vereine, die am Fördermitteltropf hängen, „leben Demokratie“. Demokratiespiele, Diskussionsrunden, bunte Veranstaltungen. Alle vereint im Kampf gegen die Bösen, ein billiger Ablasshandel im moralisch-posthumanistischen Zeitalter, in der die eigene Legitimität mit der richtigen Gesinnung erkauft werden kann.
„Freiheit ist immer die Freiheit Andersdenkender“, sagte einmal die berühmte Rosa Luxemburg, heute Schutzpatron und Säulenheilige der Gleichdenkenden. Dass diese Linke fast 100 Jahre später ihre demokratische Maske fallenlässt, ist eine Ironie der Geschichte, auf die wir am Ende des Textes zurückkommen.
1. September 2019. Die AfD-Berlin plant ihren Landesparteitag, der satzungsmäßig verpflichtend durchzuführen ist. Eine Regelung im Parteiengesetz, die die regelmäßige Rückkoppelung der politischen Führung an die Mitgliederbasis erzwingt. Der Landesverband Berlin erhält im Spätsommer eine Zusage vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg für das Gemeinschaftshaus Lichtenrade. Nach Angaben der Bezirksverwaltung war die Veranstaltung allerdings nur als Veranstaltung des ansässigen AfD-Bezirksverbands deklariert worden. Nachdem man herausfand, dass die Veranstaltung der offizielle Parteitag des Landesverband werden sollte – so zumindest die Aussage des Bezirks – wurde der AfD gekündigt. Auch der Weg zum Verwaltungsgericht und schließlich zum Oberverwaltungsgericht brachte keinen Erfolg. Die Veranstaltung musste abgeblasen werden. Selbst wenn man der Argumentation der Berliner Gerichte und dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg Glauben schenkt, bleibt das Verhalten doch fragwürdig. 2017 und 2018 fand der Landesparteitag im gleichen Raum statt – angeblich wusste man nichts vom Landesparteitag, meinte das Bezirksamt. Faule Ausrede? Massive Bedrohung? Vollkommen egal, der Rechtsweg entscheidet und die AfD geht leer aus.
9. November 2019. Ein neuer Termin musste her. Das Hauptproblem ist neben der AfD-Feindlichkeit vieler Wirte – ihr gutes Recht – und den Bedrohungen der Wirte durch linksextreme Kräfte – nicht ihr gutes Recht – ein anderes: Der Parteitag muss Platz für 1600 Personen bieten. Die Suche gestaltet sich schwer, bis zu Letzt hofft man auf eine Zusage. Mittlerweile wurden über 100 Absagen gesammelt, gibt der Berliner AfD-Vorsitzende Georg Pazderski bekannt.
„Trotz intensivster Suche bis zum letzten Moment in Berlin und im Brandenburger Umland, auch mit tatkräftiger Unterstützung unserer Mitglieder und Brandenburger Parteifreunde, ist es uns leider nicht gelungen, für den vorgesehenen Termin eine angemessene und sichere Lokalität zu finden“, schreibt die AfD im Herbst.
Es ist eigentlich nicht verwunderlich. Wirte, die sich auch nur im Entferntesten mit der AfD einlassen, werden bedroht, die Räumlichkeiten werden beschädigt, mit Farbe besprüht. Auf „indymedia“ präsentiert man stolz die eigenen Taten, auf der Seite „Kein Raum der AfD“ einer Berliner Antifa-Gruppe pflegt man eine Karte, die alle Gaststätten auflistet, die AfDler bewirtet.

Die Zahl der Mutigen schrumpft in Angesicht der Farb- und Buttersäureanschläge sowie der Drohanrufe. Einige Tage vor dem Wochenende des 9. Novembers 2018 wendet man sich schließlich an die Öffentlichkeit: Es war nicht möglich, einen geeigneten Raum zu finden. Das Klima der Angst ist weit verbreitet. So erreicht man totalitären Gehorsam. „Bestrafe einen, erziehe Hunderte“, sagte der kommunistische Diktator Chinas, Mao Zedong. Und auch dieses Programm haben die Linken übernommen. Eine einzige Gaststätte, die in ihrer Existenz bedroht wird, hunderte Gaststätten, die – bereitwillig oder murrend – mit der Doktrin unserer Bundeshauptstadt mitziehen.
23. Januar 2020. Bereits am 20. Dezember schloss die AfD Berlin einen Mietvertrag mit dem Ballhaus Pankow. Aufatmen? Drei Wochen später, Anfang Januar, der Rückzieher der Gastgeber. Man kündigt den Mietvertrag. Die AfD versucht juristisch gegen den Vertragsbruch zu klagen, scheitert aber vor dem Landgericht. Zwei Tage vor dem Parteitag ist es unabwendbar: Es wird keinen Parteitag geben. Vor dem Landesgericht kommen die Details für die Kündigung des Ballhauses ans Licht. Einem Mitarbeiter wurde von Unbekannten mit Messern aufgelauert, die mit „Konsequenzen“ gegenüber seiner Familie drohten.
Die Begründung des Landgerichtes: Mit Protesten gegenüber der AfD hätte der Vermieter rechnen müssen, die jetzige Bedrohungslage gehe allerdings zu weit. Die Kündigung des Mietvertrages sei rechtens. Die Berliner Linksszene hat alle Hebel in Bewegung, um den Parteitag platzen zu lassen. Nicht nur die Wald- und Wiesenantifa, die sich sichtlich bemühen, endlich als Terroristen wahrgenommen zu werden, sondern auch eine etablierte Politikerin der Linken spielt ihr undemokratisches Spiel. Nach Angaben des AfD-Landesverband habe „ eine Vertreterin der Linken (vormals SED), Wurdack, in einem Zeitungsinterview sogar öffentlich zugegeben, den Vermieter der Räume für den Landesparteitag eingeschüchtert und genötigt zu haben, den Vertrag mit der AfD aufzulösen. Laut Pressebericht hatte sie den Gastwirt 20 Minuten am Telefon bedrängt, Lügen über die AfD verbreitet und mit massiven Gegenprotesten gedroht, falls er nicht nachgeben sollte.“
Samstag, der 25. Januar 2020. Das Ballhaus Pankow bleibt leer. Der Wirt ist verängstigt, die Strategie der Linken aufgegangen. Gute zwei Autostunden von Berlin entfernt prügeln sich zeitgleich tausend Demonstranten mit Leipziger Polizisten. Eine Demo wurde – trotz vorherigen Drohungen gegenüber „Bullen“ (wir berichteten) von der Stadtverwaltung genehmigt. Nach aktuellen Angaben wurden 13 Polizisten verletzt. Die Linksextremen warfen mit Steinen und Böllern, zündeten in den Straßen Leipzigs Bengalos an.
Auch das ist „gelebte Demokratie“. Ein Begriff, der eigentlich eine Berechtigung hat. Demokratie wird immer durch das Verhalten im Alltag entschieden, nicht an der Wahlurne. Die Phrase ist allerdings so leer, wie die Rechtssubstanz des deutschen Staates, so verbraucht, wie die Fördermittel der linken „Demokratieverteidiger“ und so überflüssig, wie die inhaltslose Symbolpolitik der links-mitte Parteien. Eine Phrase, die niemand mehr braucht.
Sie erinnern sich an den Anfang? „Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“. Die AfD – als demokratisch legitimierte Partei – hat diese Freiheit nicht. Es wird ihr nicht ermöglicht, ihrer satzungsmäßigen Ordnung nachzugehen, der sie sich verpflichtet hat. Der andersdenkende Wirt hat nie wieder die Freiheit, unbeschwert vor sein Lokal zu treten und Gäste zu empfangen, ohne sich Gedanken zu machen. Er wird sich immer fragen: Darf ich diese Gäste bewirten? Denkt mein Gast das „Richtige“?
Wie kann dieser großartige Spruch über die Freiheit der Andersdenkenden so ausgehöhlt worden sein? Die Antwort ist einfach. Er war schon immer hohl. Rosa Luxemburgs Aphorismus wurde seit 100 Jahren falsch verstanden, sie selbst zur glühenden Demokratin stilisiert. Dabei war er nur eine Randnotiz des Werkes „Zur russischen Revolution“. Dort schrieb sie ebenfalls, wie die WELT erstmals berichtete, „Anarchie wird auch bei uns und überall unvermeidlich sein“. Luxemburg, die Rosa Luxemburg, nach der die SED-Nachfolgepartei ihre Stiftung benannt hatte, war nie eine Demokratin und wollte den „bolschewistischen Staatstreich“. An andere Stelle schrieb sie:
„Die Nationalversammlung ist eine gegenrevolutionäre Festung, die gegen das revolutionäre Proletariat aufgerichtet wird. Es gilt also, diese Festung zu berennen und zu schleifen.“
Heute hat die Linke den Staat besetzt und sich mit dem Deckmantel des „demokratischem Sozialismus“ bedeckt. Nichts ist mehr von echtem Anarchismus und Systemfeindlichkeit geblieben. Also muss die „Nationalversammlung“ nur durch den „AfD-Landesparteitag“ ausgetauscht werden. 100 Jahre linke Politik. 100 Jahre Kampf gegen die Demokratie. 100 Jahre Kampf gegen Anstand, Freiheit und Bürgertum. Ein Kreis schließt sich. Nur heute drückt man sich weniger gewählt aus. Ein Aufruf auf „indymedia“ endet mit den Worten:
„Den AfD-Landesparteitag ein für alle Mal zu Brei stampfen! Kein Raum der AfD! Nicht in Berlin, nicht in Brandenburg, nirgendwo!“