Vergangenen September berichteten wir über die neue Strategie der griechischen Regierung gegen die gesetzlosen Linken im Szeneviertel „Exarchia“. Nach dem Wechsel der Tsipras-geführten sozialistischen Regierung zur konservativen „Nea Dimokratia“ sollten die illegalen „Squats“, also Hausbesetzungen im Athener Viertel, beendet werden. Neben linksradikalen Terroristen, die sich wöchentlich Schlachten mit der Polizei liefern, fanden im quasi-rechtsfreien Raum unzählige illegale Migranten Unterschlupf.

Rund vier Monate nach dem Höhepunkt der Polizeieinsätze gegen die Linksradikalen hat es sich etwas beruhigt. Auf „indymedia“ berichtet ein linksradikaler Grieche über die veränderte Situation in der Hauptstadt.

„Exarchia ist ein Viertel in dem die Bullenpräsenz vorher nie stark war, wenn man von den wöchentlichen Freitag- oder Samstagabend – Riots zwischen Anarchist_innen und Bullen einmal absieht. Ausserhalb dieser Auseinandersetzungen waren die Bullen normalerweise rund um das Viertel stationiert und nie innen. Nun sind sie im Viertel und ziehen ihre Kreise immer enger.“

Ein Paradebeispiel für die typische Wirklichkeitsverzerrung der Gesetzlosen, die das Gebiet um die Athener Universität als „ihr“ Viertel ansehen, in der Staat und Polizei nichts zu suchen haben. Die lasche Politik des linken Lieblings Alexis Tsipras, der selbst aus Exarchia stammt, ist jetzt aber Recht und Ordnung gewichen. Zumindest in Teilen.

Eine typische Veranstaltung in Exarchia

Auf die Frage hin, wie die griechische Gesellschaft auf die neue Linie der Polizei reagiert, antwortet der anonyme Vertreter der Szene lapidar: „Ich meine in Griechenland greifen nicht nur Anarchist*innen Cops an, es ist eher ein allgemeines Symptom des fehlenden Vertrauens dem Staat gegenüber.“

Momentan läuft sogar ein Verfahren gegen den linken Aktivisten und seine Freunde. Schuld sieht er allerdings nur beim repressiven System. Warum er verhaftet worden sei, wird er gefragt. Er schildert die Erlebnisse:

„Wir zogen durch die Stadt, wir waren laut, Graffitis wurden gesprüht und Bankautomaten zerstört. Abschließend gingen wir in die Akropolis Metro Station. Wir waren immer noch laut, Graffiti wurde gesprüht und es wurden auch noch ein paar Bankautomaten an der Haltestelle zerstört. Wir kamen am Gleis an und warteten auf den Zug um zu verschwinden. Der Zug sollte laut Anzeigetafel in 8 Minuten kommen. Nach einer Weile verschwand allerdings die Anzeige. Wir ahnten dass etwas passieren würde. Einige Leute ergriffen Initiative und rannten rüber auf’s andere Gleis um in die entgegengesetzte Richtung zu fahren. Es war eine seltsame Situation, denn wir hatten besprochen, dass wir zusammen bleiben. Nun, ich nehme es den Leuten nicht übel. Kurz darauf, kamen die ersten Bullen, am Anfang nur drei. [..] Es wurde klar, dass wir mit auf die Wache genommen werden, und es nicht mehr nur um unsere Personalien geht. Es waren auch Pressekameras da. Wir schrien sie an, sie sollten aufhören uns zu filmen. Wir schrien auch die Polizei an, sie sollten aufhören! Sehr, sehr langsam wurden wir auf die Wache gebracht, wo wir die Nacht verbrachten.“

Die Anklage gegen die Gefangenen wegen Sachbeschädigung, Umweltverschmutzung, Landfriedensbruch, und Ungehorsam wurde eingeleitet. Verständnis dafür hat der Delinquent nicht. Der sorgt sich als „queerer“ Linker eher um Sexismus und fehlende Gleichbehandlung eines etwaigen dritten Geschlechts:

„Für mich als queere Person war es sehr unangenehm in dieser Situation. Später gab es unter den Genossen noch bevormundende Sorge um „unsere Mädchen“. Die Genossen fragten die Bullen auch nach mehr Essen, welches zu den Frauen gebracht werden sollte. Dies finde ich sehr problematisch. Eine andere Situation war im Polizeiauto. Eine Frau sollte von den Bullen zu uns ins Auto gebracht werden und die Frage, wo sie hinsolle, stand im Raum. Einer meiner Genossen bot, auf sehr unangenehme Weise an, dass sie doch auf seinem Schoß sitzen solle. Andere im Auto lachten.“

Mittlerweile wurden die meisten Hausbesetzungen geräumt, auch wenn es noch lange dauernd wird, bis „Exarchia“ wieder zur Normalität zurückkehren wird. Wenn überhaupt. Das Viertel voller Hass auf „Bullen“, „die da oben“ und „Faschisten“ lebt seit fast 50 Jahren im „Ausnahmezustand“, der eigentlich längst der Normalzustand geworden ist. 1973 fanden hier die ersten Aufstände gegen die Militärregierung Griechenlands statt und linke Aktivisten besetzten die technische Universität.

Der verzweifelte Versuch der Anarchisten, ihre Gebietshoheit zu erhalten und von einem „Krieg gegen die Anarchisten“ zu sprechen.

Mittlerweile gibt es keine „faschistische Regierung“ und keine Unterdrückung der freien Meinungsäußerung mehr. Bis zu den linken Gesetzlosen ist diese Entwicklung aber noch nicht vorgedrungen. Ob mit oder ohne besetzte Häuser: Man sieht sich als die Guten – und für das Gute ist jedes Mittel recht.