Ein Monat ist seit dem „Tag der Arbeit“ vergangen. Zeit für eine Zusammenfassung der linken Proteste in Berlin.
Seit Jahrzehnten kommt es am 1. Mai in Berlin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Linksextremen und der Polizei. In den letzten Jahren ist es allerdings ruhiger um den „Arbeiterkampftag“ geworden. Dass der 1. Mai ein gesetzlicher Feiertag ist, haben die Linken und Linksextremen übrigens den Nationalsozialisten zu verdanken. Nach jahrelanger Debatte während der Weimarer Republik, wie man den 1. Mai einordnen solle, erklärten die Nationalsozialisten schließlich 1933 den „Tag der nationalen Arbeit“ zum Feiertag – nicht ohne politisches Kapital daraus zu schlagen.
Fast 100 Jahre nach sozialistischen und nationalsozialistischen Straßenkämpfen sind die Demonstranten friedlicher geworden. Während 2009 allein in der Hauptstadt noch 479 Polizisten im Einsatz verletzt wurden, waren es 2019 lediglich 39 Beamte. Sicherlich 39 zu viel, aber das Ausmaß der Gewalt durch sozialistische Randalierer und Schläger ist weiter zurückgegangen. Auf dem linksextremen Portal „indymedia“ und in den sozialen Medien hatten die Linken eine Eskalation angekündigt. Der Demonstrationsort wurde kurzerhand und ohne Anmeldung verlegt – man wollte durch die Rigaer Straße ziehen. Die Rigaer Straße, insbesondere Hausnummer 94, ist seit Jahren ein linksextremer Brennpunkt Seit 1990 wird das Haus von Linken illegal besetzt.
Die Polizei machte sich auf das Schlimmste gefasst, zumal im Vorfeld die Verbalgeschütze aufgefahren wurden: Man veröffentliche Bilder mit Guillotinen und titelte „Gegen die Stadt der Reichen“ – auf anderen Plakaten sprang ein Vermummter auf einen Polizisten zu. Darüber war zu lesen: „Kick it like France“, und man wolle „den Bullenstaat zerschlagen“. An anderer Stelle schreibt man: „Die Messlatte für den ‚Erfolg‘ oder die ‚Niederlage‘ des Ortswechsels sollten wir nicht zu hoch ansetzen. In erster Linie liegt es an uns allen! was wir mit dem erklärten Versuch, die Demo zu re-politisieren anzufangen wissen.“
Die linksradikalen Kräfte Berlins hatten in den letzten Jahren allerdings nicht nur mit Polizisten zu kämpfen, sondern auch mit dem sogenannten „Myfest“. Das Straßenfest wurde als „Antwort auf die Gewalt der Linksautonomen“ veranstaltet, mittlerweile fand die Party zum 17. Mal statt. Zehntausende Berliner, darunter eben auch viele Linke, feierten vor Bühnen und Ständen. „Mehr Party und weniger Politik“, schrieb die Berliner Morgenpost.
Seit Jahren versucht die linksextreme Szene den Sog des unpolitischen „Myfest“ zu umgehen. Das war auch, nach Angaben der Linken, der Grund, dass man die Demoroute kurzerhand änderte: „Wir begrüßen, dass der 1.Mai repolitisiert werden soll. Nach Jahren der Partykultur inmitten des „Myfest“ in Kreuzberg laufen wir nun in Friedrichshain unter anderem an unserem Haus vorbei.“
Doch viele Kreuzberger wollen ausgelassen feiern, statt mit sozialistischen Parolen durch die Straßen zu laufen und Polizisten anzugreifen. Selbst der traurige Versuch, die eigenen Demonstranten vom „Myfest“ fernzuhalten, war nicht von Erfolg gekrönt. Während in den 90er regelmäßig mehr als 10.000 Linke an der „Revolutionären 1. Mai Demo“ teilnahmen, waren es dieses Jahr angeblich 5000 Demonstranten. Im Verlauf des Abends wurde die Zahl aber immer weniger, es zog die Demonstranten auf die angrenzende Partymeile.
Das „Myfest“ wird mittlerweile von Migranten betrieben. Der Veranstalter von „Myfest“, Halis Sönmez, schreibt dazu: „Es geht darum, Räume zu besetzen“ und „gegen Hass und Gewalt zu kämpfen“. Eine Konfrontation zwischen den revolutionären 1. Mai-Demonstranten und dem mittlerweile türkisch geprägten „Myfest“ fand bislang noch nicht statt, auch wenn auf linksextremen Portalen die Verbalgeschütze aufgefahren wurden. Man spricht vom „asozialen Myfest“ und bezieht sich darauf unter anderem auf die Räumung von zwei Obdachlosenunterkünften, die der Veranstaltung weichen mussten.
Aber auch am „Myfest“ scheinen die Kreuzberger das Interesse verloren zu haben. Auf fünf Bühnen spielt man Musik, letztes Jahr waren es sieben, meint ein Beobachter. Die größten Musikacts sind türkische und kurdische Künstler. „Die wichtigsten Bühnen sind aus der Sicht des Veranstalters nicht die Punk- und Rap-Bühnen, wo in den vergangenen Jahren teils auch bekannte Bands auftraten. Sondern der Ort am Feuerwehrbrunnen auf dem Mariannenplatz, wo wie in jedem Jahr traditionelle türkische und kurdische Musik gespielt wird, wo sich Menschen spontan an den Händen fassen und tanzen“, schreibt die Berliner Morgenpost.
Trotzdem könne das Fest nicht als Erfolg gewertet werden. „Am Kottbusser Tor verlassen mehr Menschen das Fest als hineinwollen“, schließt die Morgenpost, das Publikum sei „internationaler geworden“. Die Anzahl der Polizisten und Sicherheitsleute sei jedoch gleich geblieben, man wolle verhindern, dass gewaltbereite Demonstranten vom benachbarten Friedrichshain nach Kreuzberg kommen. Bereits am frühen Abend sinken die Besucherzahlen. Mehr und mehr Leute verlassen das „Myfest“. Ein Viertel weiter kommt es zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Linksextremen und der Polizei. Abends folgen größere Ausschreitungen. Doch die Tendenz ist eindeutig. Die Berliner sind des 1. Mai überdrüssig geworden – egal ob gewaltbereiter Antifa-Marsch oder türkisch-buntes Straßenfest.