Teil 2: Vom Spartakusaufstand bis ins 3. Reich
Bereits 1919 erfuhren die deutschen Antifaschisten, wie die Italiener, ihr eigenes Geburtstrauma: Beim Spartakausaufstand in Berlin im Januar 1919 lernte man, dass auf die sozialdemokratischen Kräfte Weimars nicht zu zählen war. Nach der Abspaltung der USPD von der SPD noch während des 1. Weltkrieges kam es zu politischen Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und „Radikallinken“, die drei Jahre später in der Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichorns gipfelten. Eichhorn trat offen als radikallinker USPD-Politiker der Berliner Opposition auf und wurde so lange geduldet, bis er bei einem Aufstand unzufriedener Soldaten sich auf die Seite der Meuterer stellte.
Eichhorn bleibt!
Die Entlassung folgte auf dem Fuße. Bereits zwei Wochen vor dem Spartakusaufstand hatte die SPD gegen Eichhorn Stimmung gemacht. Trotzdem weigerte sich Eichhorn seinen Posten als Polizeipräsidenten zu räumen. Die darauffolgenden Demonstationen von USPD-Kräften auf Seiten Eichhorns, Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts lösten den Spartakusaufstand aus, der als mythische Geburtsstunde der Linken in die Geschichte Deutschlands eingehen sollte.
Der Zeitzeuge Harry Graf Kessler beschreibt Eichhorn als „Figur wie aus einer Offenbachschen Operette, der die öffentliche Ruhe sicherte, indem er bei Aufruhr die Aufrührer bewaffnete, und der deutschen Regierung diente, ohne auf seine Monatsgage aus Rußland zu verzichten“
Im Zuge der Spartakusunruhen wurden auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. Teile der Putschisten besetzten den „Vorwärts“, das Parteiorgan der SPD. Erst nach dem Einmarsch mehrerer Freikorps, also rechtsgerichteter paramilitärischer Bünde, wurde der Aufstand beendet.
Ende der Chaos-Zwanziger
Zwar agierten „antifaschistische Kräfte“ zu Beginn der 20er Jahre im Kampf um die Weimarer Republik, aber so koordiniert und wirksam wie der USPD-nahe Spartakusaufstand fanden vorerst keine Aktionen mehr statt. Dies änderte sich 1924, als nach tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Stahlhelms – rechtskonservativer Freikorps – und Sozialisten, der Bedarf für einen echten Soldatenbund entstand. Man brauchte eine Fußtruppe als Unterstützung des politischen Anliegens.
Was heute unvorstellbar klingt, war in der Weimarer Republik gewissermaßen normal. Gerade bei Kundgebungen und Versammlungen brachten – Rechte wie Linke – ihre gewaltbereiten Unterstützer mit. Nicht zuletzt gewann das Argument, das den besseren Saalschutz hatte. Die KPD gründete daraufhin den „Roten Frontkämpferbund“, aber wieder standen die Sozialisten zwiegespalten zur Gewalt. Viele KPD-Mitglieder distanzierten sich von den gewalttätigen Schlägertruppen.
Der „Blutmai“
Bei den traditionellen 1. Mai-Demonstrationen – die gab es bereits 1929 – kam es zu blutigen Kämpfen, obwohl Preußens Polizeipräsident (SPD-Politiker) ein generelles Demonstrationsverbot verhangen hatte. Dieser Schritt war eine Reaktion auf die politischen Spannungen und das Erstarken der NSDAP unter Adolf Hitler. Pauschal wurden öffentliche Veranstaltungen und Reden verboten, das Verbot traf dadurch auch Veranstaltungen der Linken und insbesondere ihren heiligen 1. Mai. Doch man ließ sich nicht abbringen. Die Polizei griff mit über 1000 Mann gegen die unangemeldete Demo durch. Am sogenannten „Blutmai“ wurden bei Auseinandersetzungen mit der Polizei 33 Demonstranten erschossen, es gab hunderte Verletzte.
Und wieder machten die sozialistischen und kommunistischen Kräfte die SPD für den Blutmai verantwortlich und untermauerten die These des „Sozialfaschismus“, die die SPD als „linken Flügel des Faschismus“ darstellte. Ein Narrativ, welches noch heute in vielen linksradikalen Gruppen gilt: Alle Strömungen, außer die eigene, sind Ausprägungen eines faschistischen Systems. Der Blutmai ging – ähnlich wie bei den italienischen Sozialisten – als eigener Mythos in die Geschichte der deutschen Radikallinken ein.
Beginn des Nationalsozialismus
Stärker werdende Spannungen zwischen SPD und Kommunisten verunmöglichten eine Zusammenarbeit gegen rechte Kräfte. Man rieb sich an internen Streitigkeiten auf und konnte nicht mehr „gemeinsam schlagen“, was lange Zeit der Minimalkonsens der deutschen Linken war. Die SPD bildete 1931 die „Eiserne Front“– eine Mini-Querfront aus dem Umfeld der SPD, des Zentrums und der DDP (Deutsche Demokratische Partei, linksliberal) sowie Gewerkschaften, Angestellten und sogar Turnverbänden. Eine Bedingung gab es allerdings: Man durfte nicht mit Sozialisten aus dem Umfeld der KPD kooperieren. Die KPD wiederum gründete zeitgleich die „Antifaschistische Aktion“ bei der man erstmals den Namen des „Antifaschismus “ nutzte , um gegen reaktionäre, monarchistische oder konservative Kräfte – und natürlich den Nationalsozialismus – vorzugehen. Aber diese Bewegung war nicht von Erfolg gekrönt und versickerte in Unbedeutsamkeit.
Russlands Befehl kommt zu spät
Erst 1935 ruderte die sozialistische Führung in Moskau zurück. Die Stichwortgeber aus dem Osten hatten ursprünglich die „Sozialfaschismus“-These in die Welt gesetzt, jetzt folgten sie einem neuen Ansatz: Anstatt der Spaltung, die aufgrund der Sozialfaschismusthese entstand, müsse man gemeinsam mit den Sozialdemokraten gegen den echten, bürgerlichen Faschismus kämpfen.
1935 war es für viele Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten in Deutschland bereits zu spät. Entweder man reihte sich im NS-Staat ein oder wurde von den Nazis, die ab 1933 den Staat sukzessive umbauten, verfolgt und schließlich in Konzentrationslager gebracht.
Kaum Widerstand?
Während in den 20er und 30er Jahren massiver Widerstand gegen die nationalsozialstische Bewegung aus den Reihen der Linken kam, spielten sie im Nationalsozialismus, und insbesondere in den späten Jahren des Dritten Reiches, nur noch eine untergeordnete Rolle im Kampf gegen Hitler.
Der NS-Parteienstaat hatte gerade die linke Opposition akribisch genau ausgeschaltet. Widerstand kam hauptsächlich aus kirchlichen, konservativen und militärischen Kreisen. Auch diese Entwicklung war für die heutigen Sozialisten, die sich in der Nachfolgerrolle der Weimarer Sozialisten sieht, eine Schmach. Regelmäßig gedenkt die Bundesrepublik der Gruppe um Stauffenberg oder den Geschwistern Scholl, die eher zur rechten Opposition Hitlers gezählt haben.
Eine illustre Kooperation
Ein vergessenes Kapitel der frühen 30er Jahre gibt es allerdings. Die KPD war kein so erbitterter Feind der NSDAP, wie heute regelmäßig betont wird. Noch 1932 zogen KPD und NSDAP Seit an Seit durch Berlin und versuchten den „wilden Streik“ der Berliner Verkehrsgesellschaft aufrecht zu erhalten.
Dabei ging man auf Polizei und Streikbrecher los. Die Auseinandersetzungen eskalierten. Am „roten Freitag“ in Berlin starben vier Menschen. Organisiert wurde der Aufstand zwei Tage vor der Reichtagswahl im November 1932 von zwei Männern aus der KPD und der NSDAP. Joseph Goebbels und Walter Ulbricht (damals Vorsitzender der KPD-Berlin) planten und marschierten gemeinsam gegen Kapitalismus, Bürgertum und SPD.
Wie begann der Antifaschismus in der jungen Bundesrepublik? Nächste Woche geht’s weiter!